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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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hätten. Beide Personen, ein Mann und eine Frau, deren Namen er nicht nannte, seien leider nicht anwesend, doch ohne sie hätte es das Stück in seiner jetzigen Form nicht gegeben. Die eine habe ihn mit der ungeschönten Wahrheit konfrontiert, der andere habe ihn daran erinnert, was es bedeute, ein Schauspiel zu schaffen. Beiden sei er zu unendlichem Dank verpflichtet.
    Wen er mit seinen kryptischen Worten meinte, blieb den Zuschauern und den Kritikern ein Rätsel, das nie gelöst wurde.
    Edgworth Bess entging dem tragischen Schicksal der Männer, von denen sie umgeben gewesen war und mit denen sie sich umgeben hatte. Der Galgen blieb ihr erspart, und auch in den Listen der britischen Gefängnisse und Gerichte jener Zeit sucht man vergeblich nach einer Elizabeth Lyon oder Edgworth Bess. Was aus ihr geworden ist, darüber schweigen sich die Geschichtsbücher aus.
    In die Annalen ist sie – bis heute unwidersprochen – als jenes durchtriebene und verkommene Weibsbild eingegangen, das den braven und naiven Jack Sheppard zum Räuber gemacht und anschließend ins Unglück gestürzt hat. In Daniel Defoes Biografie wird sie als »die alleinige Urheberin all seines Missgeschicks« bezeichnet, und obwohl diese Bezeichnung ausschließlich auf der Aussage des Gehenkten beruhte und anderen Details und Ausführungen auffällig widersprach, wurde das wenig schmeichelhafte Bildnis anschließend ein ums andere Mal abgekupfert, bis niemand mehr an dessen Wahrheit zweifelte.
    Für Bess selbst war all dies nicht von Belang. Jack Sheppard war für sie in dem Augenblick gestorben, als er Bess und Henry in Little Stanmore an Mr. Wild verraten hatte. Sie waren damit endgültig quitt, sie war ihm nichts mehr schuldig, alle Rechnungen waren beglichen. Das war die Hauptsache. Was anschließend mit Jack geschah, verfolgte sie zwar interessiert, doch sein Schicksal und sein Tod am Galgen berührten sie nicht annähernd so stark wie die Geschehnisse um Blueskin. Ihrem ehemaligen Geliebten, der von allen ringsum wie ein Heilsbringer und Volksheld verehrt wurde, weinte sie keine Träne nach. Doch um den finsteren und brutalen Blueskin, den sie stets für einen gemeinen Verräter und ihren gefährlichsten Gegner gehalten hatte, trauerte sie aufrichtig. Zwei Mal hatte Blueskin ihr das Leben gerettet, und sie würde diese Schuld niemals wettmachen können. Ein für Bess beklemmendes und bedrückendes Gefühl.
    Was sie jedoch vor allem beschäftigte und verwirrte, war der Verbleib jenes Mannes, der von den meisten Captain Macheath genannt wurde, den sie aber unter dem Namen Henry Ingram kennen- – und lieben – gelernt hatte. Wenn sie sich später an die wenigen Tage im September des Jahres 1724 erinnerte, so kamen sie ihr manchmal wie ein Traumgebilde vor. Wie eine fiebrige Einbildung oder eine bloße Wunschvorstellung. Die meisten Personen, die sie als Zeugen für die Geschehnisse jener seltsamen Woche hätte nennen können, waren tot oder verschollen. Jack, Blueskin und Mr. Wild waren hingerichtet, Poll war aus London verschwunden und hatte sich an der Südküste angesiedelt. Angeblich soll sie dort nach wenigen Monaten ein Kind zur Welt gebracht haben, das durch seine dunkle Hautfarbe auffiel. Vermutlich ein Sklavenbastard. Aber das war nur ein Gerücht, dem Bess keinen Glauben schenkte.
    Die Zwillinge George und Godfrey waren kurz nach den Ereignissen verhaftet und in die Kolonien transportiert worden, und Mutter Blake, die Bess eines Nachts in ihrer verlausten Schänke aufsuchte, behauptete sogar, sie habe niemals einen Mann mit dem Namen Ingram oder Macheath gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen. Jeden, der etwas anderes behaupte, schimpfe sie einen Lügner!
    Beim Verlassen des Gin-Shops wurde Bess vom irren Geoff aufgehalten, der gerade zum Schlafen in den Keller hinuntersteigen wollte. »Oi, Bess!«, sagte er und tippte sich bedeutsam an die Nase. »Ich hab den Captain gesehen.«
    »Wen?«
    »Henry!« Er kicherte irre und setzte hinzu: »Meinen Namensvetter.«
    »Wann und wo?«, wollte Bess wissen und wagte vor Aufregung kaum zu atmen.
    Diesmal tippte er sich an die Stirn und antwortete: »Ich hab ihn im Traum gesehen. Ganz deutlich. Mit dir zusammen, aber du sahst irgendwie anders aus. Ihr habt fröhlich gelacht und Blut aus einem Kürbis getrunken.«
    »Blut aus einem Kürbis?«, lachte Bess und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen und den Verrückten abzuwimmeln. In Gedanken jedoch setzte sie hinzu: Ich träume auch

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