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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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oft von ihm.
    »Es geht ihm gut«, sagte Geoff und hielt Bess am Unterarm fest.
    »Warum auch nicht?«, gab sie sich unbeeindruckt. »Wenn er Blut trinkt.«
    »Es geht ihm wieder gut«, beharrte Geoff und starrte sie eindringlich an. »Das wollte ich dir nur sagen. Dachte, es interessiert dich.« Damit ließ er sie los, setzte seinen Dreispitz auf, nickte kurz und humpelte auf seinem Holzbein davon.
    »Verdammter Schwachkopf!«, knurrte sie.
    Bess sah Henry nie wieder, und hätte sie nicht seinen Ring besessen, so hätte sie ernsthaft daran gezweifelt, dass es ihn je gegeben hatte. »In Liebe Henry« war auf der Innenseite eingraviert. Als Bess zum ersten Mal die drei Worte entdeckt hatte, wäre sie beinahe vom Schlag getroffen worden. Wie war das möglich? Woher hatte er diesen Ring? Wieso hatte er auf dem Boden neben dem Grab gelegen? Und für wen war er bestimmt? Noch einige Male ging sie zum Friedhof von St. Botolph, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, das sie beim letzten Mal übersehen hatte. Irgendeinen Hinweis, eine Spur. Doch Henry war und blieb verschollen. Unauffindbar.
    In Liebe Henry!
    Manchmal erinnerte sich Bess an den fiebrigen Unsinn, den Henry ihr im Bedlam Hospital erzählt hatte. Von den Reisen zum Mond und den durch die Luft fliegenden Menschen. Und ihr gefiel plötzlich der absurde Gedanke, dass Henry aus einer fernen Zukunft zu ihr gekommen war, um ihr seine Liebe zu beweisen und den Ring als Zeichen dieser Liebe zurückzulassen.
    Bess war klug und vernünftig genug, sich nicht in derlei Fantasiegebilde zu flüchten oder in Gefühlsduseleien zu verrennen. Sie behielt Henrys Ring am Finger und die Erinnerung an den komischen Kauz im Herzen. Doch sie hatte ein Leben zu leben. Und das war hart genug. In dieser Zeit.
    Aber immerhin hatte sie wieder ein Leben.
    Nach drei Wochen auf der Intensivstation des St. Bartholomew-Krankenhauses wurde Henry auf die Trauma-Station verlegt, wo er weitere drei Wochen behandelt und therapiert wurde. Wegen der Bewusstseinsstörungen und seiner anfänglichen, störrischen Behauptung, er sei durch die Zeit gereist, wurde Henry von einer Psychologin untersucht. Doch er hielt seine absurden Behauptungen nicht länger aufrecht und schien nun zu begreifen, dass all die Erlebnisse im Jahr 1724 nur in seinem Hirn stattgefunden hatten, während sein Körper im Koma gelegen und sich von dem heftigen Schlag mit der Eisenstange erholt hatte.
    Henry war ein vorbildlicher und pflegeleichter Patient, der Schädelbruch begann ohne Komplikationen zu heilen, die Schwellung verschwand restlos, und auch die Beeinträchtigungen der Wahrnehmung und die Halluzinationen tauchten nicht wieder auf. Nach insgesamt sechs Wochen war er so weit genesen, dass man ihn aus dem Barts entließ. Zum Schutz sollte er noch einige Wochen lang einen schwarzen High-Tech-Helm aus Kunststoff tragen. Rein prophylaktisch.
    Was tatsächlich in seinem Kopf vorging, davon erfuhren weder Dr. Featherstone noch die behandelnde Psychologin irgendetwas. Nachdem Henry das unscharfe Bild von Bess auf dem Handy-Chip gesehen hatte, bemächtigte sich eine seltsame Ruhe und Ausgeglichenheit seiner. Er wusste zwar, dass er Bess niemals wiedersehen würde, aber allein die Tatsache, dass er ihr begegnet war und derart starke Gefühle für sie entwickelt hatte, besänftigte ihn. Nach außen hin verlor er kein Wort mehr über die Ereignisse des Jahres 1724, doch insgeheim war er oft und lange bei Bess, redete sogar mit ihr und versuchte, ihr nah zu sein. So nah, wie sie sich in jenen wenigen Tagen gewesen waren. Mit der Zeit allerdings verblasste die Erinnerung, Henry wurde die Nichtigkeit seines Tuns zunehmend bewusst, und die Bess in seinen Gedanken ähnelte immer frappierender dem unscharfen und verschwommenen Handy-Bild. Bess wurde mehr und mehr zu einem Geist. Henry wusste, dass es Zeit war, Abschied zu nehmen. Und so ließ er sie los und zurück. Wo immer sie auch war.
    Sarah sah er noch ein letztes Mal. Sie kam, um sich zu verabschieden und zu bedanken. Gemeinsam mit Sean Leigh, gegen den dank Henrys Falschaussage keine Ermittlungen mehr liefen, wollte sie London verlassen und nach Birmingham ziehen. In einem dortigen Theater hatte sie eine kleine Rolle in einer Hamlet-Aufführung ergattert. Und Sean hatte der Bühne vollends abgeschworen und wollte sich wieder um seine vorabendlichen Fernsehserien kümmern.
    »Dass ich keine so gute Schauspielerin bin, wie ich immer dachte, ist mir übrigens gestern im Rosemary

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