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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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wissenschaftlichen Gründen exhumiert und ist noch heute in London zu besichtigen. Es wird im pathologisch-anatomischen Hunterian Museum in Lincoln’s Inn Fields ausgestellt. Nur wenige Schritte von dem Ort entfernt, an dem im Jahr 1728 die Uraufführung der Beggar’s Opera stattfand.
    John Gay und Johann Christoph Pepusch arbeiteten über Jahre hinweg immer wieder an ihrem Stück und gerieten oft in Streit über die politische und moralische Richtung und Aussage ihres ironischen Singspiels, das vor allem dem deutschen Komponisten zu gewagt und irritierend erschien. Während Mr. Gay das Libretto dazu nutzte, recht ungeniert mit den Missständen in Politik und Gesellschaft abzurechnen, fürchtete Mr. Pepusch die Konsequenzen, wenn die betreffenden Personen sich in den Figuren auf der Bühne wiedererkennen würden. Der als vermittelnde Instanz herbeigerufene Dr. Arbuthnot lobte zwar die Qualität des Stücks und klopfte seinem Freund anerkennend auf die Schulter, gab Mr. Pepusch aber dennoch recht. Das englische Volk sei noch nicht bereit für etwas derartig Originelles und besser aufgehoben in albernen italienischen Opern, von denen es kein Wort verstünde. Besonders die Entscheidung des störrischen Dichters, dem Räuberhauptmann den Namen Macheath zu geben, stieß beim deutschen Kapellmeister auf Ablehnung. Zwar sei der wahre Captain Macheath seit langer Zeit untergetaucht und weitestgehend in Vergessenheit geraten, dennoch handele es sich bei ihm nach wie vor um einen gesuchten Gauner, der in den Annalen des Newgate-Gefängnisses gelistet sei. Diesem Captain Macheath zudem die Züge des hingerichteten Frauenhelden Jack Sheppard zu verleihen sei ein unentschuldbarer Affront gegen die Autoritäten.
    Als das Stück im Jahr 1727 nach langem Ringen fertiggestellt war und Mr. Gay dem Leiter des Theatre Royal in der Drury Lane sein Singspiel vorstellte, schüttelte Colley Cibber entsetzt den Kopf und lehnte es rundheraus ab, sich damit zu befassen. Mr. Pepuschs Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Mr. Cibber sorgte sich um den Ruf seines Theaters und hielt es für ausgeschlossen, ein solches Schauspiel durch die Zensur zu bekommen. Man werde ihm das Theater schließen, sagte der Theaterleiter, und das sogar mit Recht. Er prophezeite dem Dichter, kein anderes Theater werde solch ein heißes Eisen anfassen.
    Darin allerdings irrte Mr. Cibber, und er sollte seine Entscheidung schon bald bereuen. John Rich, der Leiter des aufstrebenden New Theatre, erkannte das Potenzial des Stücks und erklärte sich bereit, es in seinem Haus aufzuführen, nachdem hochrangige Persönlichkeiten, die nicht namentlich genannt werden wollten, sich für Mr. Gay und Mr. Pepusch starkgemacht hatten. Immer wieder auftauchenden Gerüchten, dass sich unter diesen Persönlichkeiten auch der Graf von Burlington befunden habe, wurde empört widersprochen.
    The Beggar’s Opera wurde ein sensationeller Erfolg. Allein unter der Leitung von John Rich wurde das Stück zweiundsechzig Mal hintereinander aufgeführt, eine bis dahin unerreichte Zahl. Die Lieder wurden zu Gassenhauern, die halbwegs fiktiven Räuber und Huren zu echten Helden, die Darsteller über Nacht berühmt. Die frivolen Anspielungen und politischen Spitzen wurden durchaus verstanden und sorgten für diebische Freude im Volk, und in den folgenden Jahren wimmelte es auf den Londoner Bühnen von mehr oder minder gelungenen Nachahmungen. Die italienische Oper, für die Georg Friedrich Händel stand und die zuvor schon an Bedeutung eingebüßt hatte, wurde fortan als unzeitgemäßer und pompöser Firlefanz belächelt. Ein Nebeneffekt, der Mr. Pepusch nicht unangenehm gewesen sein dürfte. Dass Maestro Händel ihm einst die Tür gewiesen hatte, hatte der Kapellmeister keineswegs vergessen.
    John Gay wurde zum gefeierten Dichter, zu einem von der Obrigkeit gefürchteten und argwöhnisch beobachteten Literaten und ganz nebenbei zu einem reichen Mann. Die Verluste, die er durch die Südseeblase des Jahres 1720 erlitten hatte, konnte er mehr als ausgleichen. Er beglich sogar die Schulden bei Master Wilkins, dem Drucker in der Fleet Street, und entschuldigte sich dafür, sich so viel Zeit gelassen und sein damaliges Versprechen nicht sofort eingehalten zu haben.
    Nach der Uraufführung am 29. Januar 1728 trat Mr. Gay unter dem tosenden Beifall des Publikums auf die Bühne und bedankte sich bei zwei Personen, die entscheidend zum Entstehen der Beggar’s Opera beigetragen

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