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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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sie darauf anzusprechen. Wie bei Blueskins erster Beerdigung im September, als man seine angeblich in der Dirty Lane verkohlte Leiche verscharrt hatte, waren nur wenige Menschen anwesend und noch weniger ehrlich Trauernde. Blueskins Mutter war abermals nicht erschienen, sie vollbrachte somit das Kunststück, gleich zwei Beisetzungen ihres Sohnes zu verpassen.
    Erstaunlicherweise war jedoch Hope anwesend. Sie kam in Begleitung eines jungen Mannes, den Bess zu kennen schien. Er sei Wundarzt im Bedlam Hospital, flüsterte sie Poll ins Ohr. Ein Mr. Bramble oder Ramble. Hope selbst schien überhaupt nicht zu begreifen, was auf dem Friedhof vor sich ging und wer dort in dem schlichten Holzsarg in die Erde gelassen wurde. Sie lachte immer wieder, puffte ihren Begleiter in die Seite und brabbelte irgendetwas Unverständliches, das sich wie »Wo ist denn Joseph?« anhörte.
    Als Poll und Bess nach der Zeremonie gemeinsam den Friedhof verließen, stand ihnen plötzlich Quilt Arnold gegenüber. Er lächelte seltsam, nickte ihnen beinahe respektvoll zu und machte keinerlei Anstalten, sie aufzuhalten. Dass sein Herr und Meister zu diesem Zeitpunkt zwischen Leben und Tod lag, schien ihn nicht besonders zu beunruhigen.
    Jonathan Wild überlebte die Messerattacke durch Blueskin. Er wurde wochenlang von den besten und teuersten Ärzten der Stadt behandelt und war gegen Ende des Jahres wieder so weit hergestellt, dass er die Geschäfte, die zwischenzeitlich von seiner (mittlerweile fünften) Frau Mary Brown und seinem Gehilfen Quilt Arnold mehr schlecht als recht geführt worden waren, wieder aufnehmen konnte.
    Dennoch schien er nicht mehr der Alte zu sein. Es war, als wäre etwas in ihm zu Bruch gegangen. Sein Tatendrang, seine Selbstherrlichkeit und sein unbedingtes Streben nach Macht und Einfluss schienen Schaden genommen zu haben. Auch sein Ansehen in der Bevölkerung, bei der Regierung und nicht zuletzt am königlichen Hof hatte er schlagartig eingebüßt. Gerade so, als wären sie alle froh gewesen, wenn er den Mordanschlag nicht überlebt hätte.
    Blueskin hatte ihm zwar nicht das Leben genommen, wohl aber die Lebensader durchtrennt. Jonathan Wild war nur noch ein Schatten seiner selbst. Er war plötzlich antastbar geworden, er hatte seinen Schrecken verloren, und dieser Makel blieb und wurde ihm zum Verhängnis. Was vorher nur hinter vorgehaltener Hand gemunkelt worden war, das stand nun in den Gazetten und Zeitungen und war Gegenstand von Klatsch und Tratsch.
    Im Februar 1725 wurde Jonathan Wild zusammen mit Quilt Arnold verhaftet, weil er angeblich einen steckbrieflich gesuchten Straftäter mit Waffengewalt aus der Obhut eines Konstablers befreit hatte. Vor Gericht wurde dieser Vorwurf jedoch überraschend wieder fallengelassen. Quilt Arnold durfte das Old Bailey als freier Mann verlassen, doch dem Generaldiebesfänger wurde völlig unvermittelt vorgeworfen, er habe sich der Hehlerei, der Erpressung und des Verrats schuldig gemacht. Ob die Freilassung seines Handlangers und die plötzlich auftauchenden Beweise gegen Mr. Wild in irgendeinem Zusammenhang standen, wurde nie zweifelsfrei geklärt, doch als der Diebesfänger zum Tode verurteilt wurde, war die Erleichterung darüber allenthalben zu spüren.
    Jonathan Wild wurde am 24. Mai 1725 am Galgen von Tyburn hingerichtet, auch wenn er selbst vermutlich wenig davon mitbekam. Am Morgen der Exekution hatte er aus Angst vor dem Strick eine große Menge Laudanum genommen, doch er erbrach die bittere Opiumtinktur, bevor sie ihn tötete. Mr. Wild fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit, aus der er bis zur Vollstreckung des Urteils nicht vollständig erwachte. Die Straße nach Tyburn war ähnlich gefüllt wie ein halbes Jahr zuvor bei Jack Sheppard, doch statt mit Blumen wurde der Diebesfänger mit Unrat beworfen, und statt Jubel begleiteten ihn Buh-Rufe ins Jenseits.
    Quilt Arnold heiratete wenig später Wilds Witwe Mary und führte die Geschäfte weiter, ohne jedoch an den Erfolg seines Vorgängers anknüpfen zu können. Über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt.
    Jonathan Wilds Verwicklung in den Atterbury-Plot wurde niemals ruchbar, sein Verrat an den Jakobiten blieb ein Geheimnis, das er mit ins Grab nahm, und der verhängnisvolle Brief an Sir Robert Walpole tauchte nie wieder auf. Vermutlich hatte Jonathan Wild ihn noch in der Nacht nach den seltsamen Ereignissen in Little Britain vernichtet.
    Sein Skelett wurde übrigens Jahrzehnte nach der Beerdigung aus

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