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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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getobt haben, aber er ließ dieses Toben nicht heraus. Es habe keinen Sinn, vergossenem Bier nachzuweinen, meinte er. Stattdessen beschloss er mit scheinbar kühlem Kopf, was nun zu tun sei: Sie mussten die Wohnung in Piccadilly aufgeben und sich einen neuen Unterschlupf suchen, bestenfalls getrennt. Bess könne wieder bei Mutter Needham logieren, allerdings nicht wie zuvor in Covent Garden, sondern in der Cross Keys Tavern, dem nicht ganz so vornehmem Hurenhaus in Little Britain. Und er, Jack, werde sich bei einem guten und verschwiegenen Freund in der King Street einquartieren. Wenn sie sich sehen wollten, dann nur im Black Lion oder im Cross Keys. Alles andere sei bis auf Weiteres zu gefährlich.
    Doch all die Vorsichtsmaßnahmen sollten sich als nutzlos erweisen. Jonathan Wild lag längst auf der Lauer und hatte seine Fallen gestellt.
    Bess kannte Jonathan Wild zu diesem Zeitpunkt nur dem Namen nach. Er selbst nannte sich »Generaldiebesfänger von Großbritannien und Irland«, aber alle Gauner von London wussten, dass dies allenfalls die halbe Wahrheit war. Mr. Wild unterhielt ein »Büro für verlorenes Eigentum« in Little Old Bailey, unweit des Gerichtsgebäudes. Wenn irgendwo in London etwas gestohlen worden war, so war es für den Geschädigten ratsam, zunächst Mr. Wild aufzusuchen und ihn mit dem »Wiederfinden« des Diebesguts zu beauftragen. Mr. Wild behauptete, er habe eine ganze Kompanie von Agenten und Informanten, die beinahe jeden Diebstahl aufklären und das Gestohlene zurückbringen konnten. Als zusätzliches Lockmittel für seine Kunden bot er ihnen an, nur im Falle des Erfolgs einen Anteil des Erbrachten als Gebühr zu nehmen. War Mr. Wild nicht in der Lage, den Diebstahl aufzuklären oder den Dieb zur Rückgabe der gestohlenen Sachen zu bewegen, so blieben seine Bemühungen unbezahlt.
    Dass der Diebesfänger so überaus erfolgreich war, lag nicht zuletzt daran, dass Jonathan Wild selbst einer der größten Hehler und mächtigsten Bandenchefs in London war. Er unterhielt nicht nur eine Kompanie von Spitzeln, sondern auch eine Armee von Dieben und Räubern. Oft war Jonathan Wild selbst für den Diebstahl verantwortlich, dessen Beute er anschließend dem überglücklichen Eigentümer zurückgeben konnte – gegen eine üppige Gebühr versteht sich. Oder er lieferte den Konstablern und Friedensrichtern gegen ein Kopfgeld jene Gauner ans Messer, für die er keine Verwendung mehr hatte, die ihm gefährlich werden konnten oder die sich weigerten, für ihn zu arbeiten. All dies war in den Gaunervierteln der Stadt ein offenes Geheimnis, aber die feinen Bürger wollten davon nichts hören und ließen nichts auf ihren glorreichen Diebesfänger kommen. Selbst am Hof des Königs wurde Mr. Wild als rechtschaffener Hüter von Gesetz und Ordnung gefeiert.
    Der Diebesfänger selbst machte sich nie die Hände schmutzig. Wie eine Spinne saß er unsichtbar im Dunkeln, während überall in London seine klebrigen Netze aufgespannt waren. Jonathan Wild war eine Macht, der sich jeder Ganove der Hauptstadt früher oder später stellen musste, zumeist indem er sich bedingungslos unterordnete und Befehlsempfänger wurde. Dass Mr. Wild stets den Überblick behielt, was in den Gaunervierteln vor sich ging, dafür sorgten seine unzähligen Informanten und Agenten. Er war ein Meister der Erpressung und der Bestechung, und so konnte man sich nie sicher sein, ob der Kumpan, mit dem man auf Raubfang ging, der Wirt, dessen Bier man trank, oder die Kupplerin, deren Huren man bestieg, nicht in Wirklichkeit zu Jonathan Wilds Söldnern zählten. Und genau das wurde Jack zum Verhängnis.
    Im April 1724 wurde Jack im Black Lion von einem Mann angesprochen, der auf den Namen James Sykes hörte, den aber alle Welt nur als »Hell and Fury« kannte. Seinen Spitznamen »Hölle und Wut« hatte er aus seiner Zeit als Rennläufer, in der er sich mit seinen Rennen ein kleines Vermögen erlaufen hatte. Inzwischen war er nicht mehr ganz so schnell und hatte das Geld verprasst, sodass er sich als Sänftenträger und Botengänger verdingte. Diesen Sykes kannte Jack vom Hörensagen als berüchtigten Spieler und Betrüger, und so war er nicht überrascht, als Sykes ihm berichtete, er habe ein paar Trottel vom Land ausgemacht, die unbedingt eine Partie Skittles gegen hohen Einsatz spielen wollten. Diese Art des Rasenkegelns beherrschte Jack wie kaum ein anderer, und so willigte er ein, Sykes beim Schröpfen der Dummköpfe behilflich zu sein.

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