Gegen alle Zeit
Captain Macheath spielen und ihr dein Schwert zwischen die Beine schieben.« Er lachte schallend und boxte ihm mit der Faust gegen den Oberarm. »Hat sie dich also auch schon eingewickelt!«
»Quatsch!«, rief Henry, doch es klang nicht sehr überzeugend. Und obwohl er wusste, dass es Unsinn war, setzte er hinzu: »Dann geh ich eben allein!«
»Gar nichts wirst du tun«, erwiderte Blueskin bestimmt. »Wir können nur abwarten und schauen, was passiert. Entweder bekommt Jonathan Wild, was er von Bess will … was auch immer das sein mag.«
»Oder?«
»Oder wir können in Kürze ihre Leiche aus dem Fleet fischen.«
»Arme Bess«, seufzte Hope.
»Zum Teufel mit ihr!«, knurrte Blueskin. »Nichts als Ärger mit dem Weib!«
»Warum hast du eigentlich solche Angst vor Mr. Wild?«, murmelte Henry aufs Geratewohl. »Weil er dir ein hässliches Muster in deinen blauen Schädel geschnitzt hat? Oder weil er dich in der Hand hat?«
»Wer hat hier Angst vor Jonathan Wild?!«, schrie Blueskin und sprang auf.
»Ihr alle«, erwiderte Henry, griff unter dem Tisch nach seinem Taschenmesser und klappte es auf. »Wie buckelnde Höflinge vorm König. Ständig habt ihr eine große Klappe und schreit herum wie die Bauern auf dem Viehmarkt, aber ihr macht euch alle vor Angst in die Hosen, wenn nur sein Name genannt wird!«
Blueskin zog seinen Dolch und wollte sich über den Tisch auf ihn stürzen, doch im selben Augenblick ging Hope dazwischen. »Nein, Joseph, nicht wehtun!«
Es war eine zugleich bedrohliche und absurde Situation. Blueskin hockte kniend und mit gezücktem Dolch auf der Tischplatte, Henry hielt ihm seinerseits das rostige Taschenmesser vor die Nase, und Hope hüpfte wie ein Frosch auf der Stelle und schrie: »Nicht wehtun! Nicht wehtun!«
Diesmal war es Blueskin, der seiner Schwester gehorchte. Er stieß einen wilden Fluch aus, sprang seitlich vom Tisch und lief anschließend wie eine gefangene Raubkatze durch die Wohnstube. Minutenlang und ohne einen Mucks von sich zu geben. Immer im Kreis und dabei undeutliche Worte murmelnd. Dann blieb er mit einem Mal vor Henry stehen und sagte: »Wollen doch mal sehen, wer hier Angst hat.« Er rammte wütend seinen Dolch in die Tischplatte und setzte hinzu: »Und vor wem!«
»Du kommst also mit?«, fragte Henry und wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte.
»Soll ich dich Schwachkopf etwa allein gehen lassen?« Und als hätte Blueskin seine Gedanken gelesen, setzte er hinzu: »Wirst es noch bereuen, Ingram. Das wird kein Spaziergang werden. Du wirst deine Dummheit noch verfluchen! Und ich auch!«
»Ich will mit«, sagte Hope strahlend.
»Nein!«, antworteten Blueskin und Henry wie aus einem Mund und bekamen von Hope die Zunge rausgestreckt.
3
Seit über einer Stunde hockten Blueskin und Henry nun im morastigen Graben des Fleet und starrten Löcher in die Luft. So kam es Henry zumindest vor. Das Dreckwasser sickerte ihm in die löchrigen Schuhe, und er konnte den beißenden Gestank des schlammigen Rinnsals kaum noch ertragen. Doch Blueskin, der aus unerfindlichen Gründen einen langen Ast in der Hand hielt, schien irgendeinen Plan zu verfolgen oder auf etwas Bestimmtes zu warten. Jedenfalls waren es nicht Unentschlossenheit oder Angst, die ihn regungslos verharren ließen. Immer wieder fuhr er bei bestimmten Geräuschen zusammen, machte Henry ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten, und schüttelte anschließend enttäuscht den Kopf. Das Erhoffte, was auch immer es war, war nicht eingetreten. Das Warten dauerte an.
Hope hatten sie in der Dirty Lane zurückgelassen. Blueskin hatte das Mädchen mit den eitrigen Augen geholt und ihr einige Pennys in die Hand gedrückt, damit sie bei seiner Schwester blieb, während diese in der Kammer unter dem Dach laut schnarchte und ihr typisches Bärenbrummen von sich gab. Eigentlich wohnte eine alte Hausmagd mit ihr in dem Hexenhäuschen, die auf Hope und die stets und überall brennenden Kerzen aufpasste, wenn Blueskin unterwegs war, doch heute war sie nicht da. Ihr Sohn war am Morgen an einem Schlagfluss gestorben (Henry hatte keine Ahnung, was Blueskin damit meinte), und sie hielt mit ihrer Schwiegertochter Wache an seinem Totenbett.
Auf diese Weise erfuhr Henry auch, weshalb Blueskin ihn am Mittag in die Dirty Lane beordert hatte: als Babysitter! Eigentlich hatten Blueskin und die Zwillinge George und Godfrey einem Pfandleiher in Old Jewry einen nächtlichen Besuch abstatten wollen, und Henry hätte derweil auf Hope
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