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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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war. Dann jedoch schnaufte er verächtlich und setzte hinzu: »Und sie verträgt keine Prügel und Dresche.«
    »Mama haut«, bestätigte Hope und lachte dabei, als wäre das sehr witzig. Dann setzte sie mit ernster Miene hinzu: »Und die Männer auch.«
    »Welche Männer?«
    »Mamas böse Männer. Schwitzen immer so. Stinken aus dem Mund. Und ihre Dinger auch.«
    Henry schaute Blueskin fragend an.
    »Was glotzt du so blöde?«, fuhr der ihn aufbrausend an.
    Henry hob abwehrend die Hände.
    »Was glaubst du denn, was die besoffenen Dreckschweine mit ihr angestellt haben?«, rief Blueskin wütend. »Nehmen sich halt, was sie kriegen können. Auch wenn’s nur ’ne Bekloppte ist. Hope konnte sich ja nicht wehren. Und Mutter hat daneben gestanden und die Hand aufgehalten.« Er machte eine Pause und fügte leise hinzu: »Ich musste Hope da rausholen, sonst wär sie eingegangen.«
    Henry starrte erst Blueskin und dann Hope fassungslos an und schluckte. »Sie hat ihre eigene Tochter …?«
    »Eigene Tochter, dass ich nicht lache!«, schimpfte Blueskin. »Warum haben unsere Eltern sie wohl auf den Namen ›Hoffnung‹ getauft, hä?«
    »Weil’s ein schöner Name ist?«, fragte Henry, obwohl er es besser wusste.
    »Weil sie der Hoffnung waren, dass Hope bald abkratzt und sie die Missgeburt nicht länger am Hals haben. Sollte nur leider nicht sein. War ’ne trügerische Hoffnung. Und dafür hat Mutter sich gerächt. Verdammte Schlampe!«
    »Verstehe«, sagte Henry, räusperte sich und schaute sich dann in der mit Gerümpel zugestellten Stube um, um keines der beiden Geschwister anzusehen. »Aber ist Hope denn überhaupt in der Lage …?«, druckste er herum und versuchte, Hopes unentwegtes Piksen und Puffen abzuwehren. »Hat sie … ich meine, kann sie sich allein …?«
    »Sie ist etwas langsam und schwer von Begriff, aber nicht völlig blöde. Sie ist wie ein kleines Kind«, antwortete er und fuhr plötzlich seine Schwester an: »Lass ihn endlich in Ruhe, verdammt noch mal! Sonst mach ich die Kerzen aus!«
    »Nein, Joseph!«, rief sie erschrocken und erstarrte schlagartig. Sie legte ihre Hände auf die Tischplatte, schaute regungslos auf ihre Stummelfinger und brummte: »Bin ganz still.«
    Henry betrachtete das Mädchen, dessen Alter er nur schwer zu schätzen vermochte, und wollte sich lieber nicht vorstellen, was sie im Haus ihrer Mutter durchgemacht hatte. Und wieso sie eine solche Angst vor der Dunkelheit hatte. Dann jedoch wunderte er sich über Blueskin, der in den wenigen Stunden, die Henry ihn kannte, so viele verschiedene und sich widersprechende Gesichter und Facetten gezeigt hatte, dass es unmöglich war, sein wahres Wesen zu erkennen. Mal gab er sich freundlich und kumpelhaft, dann gebärdete er sich plötzlich wie ein blutrünstiger Irrer, und jetzt entpuppte er sich als Beschützer seiner behinderten Schwester. Die er offensichtlich über alles liebte, auch wenn er das hinter Grobheiten und derben Scherzen zu verstecken suchte. Blueskin Blake war wie ein nicht fassbares Phantom. Und das machte ihn umso gefährlicher.
    »Also, was willst du von mir?«, fragte Blueskin.
    »Wir müssen Bess rausholen«, antwortete Henry und merkte in dem Moment, da ihm die abgedroschen klingenden Worte über die Lippen kamen, dass er sie tatsächlich ernst meinte.
    »Aus der Chick Lane?« Blueskin lachte ihm ins Gesicht und schüttelte den Kopf. »Vergiss es! Daran haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen.«
    »Ich muss sie da rausholen«, entfuhr es Henry wider Willen.
    »Warum?«, fragte Blueskin verwundert.
    Eine gute und einfache Frage, auf die Henry keine zwingende Antwort wusste. Als er Bess im Newgate-Gefängnis zu Hilfe gekommen war, da hatte er das aus dem Affekt heraus und ohne weiteres Nachdenken getan. Es hatte sich so ergeben, und hätte er die unangenehmen Folgen geahnt, hätte er es vermutlich gelassen. Doch inzwischen hatte sich einiges geändert. Bess war zu einem wichtigen Teil im Puzzle seiner unfreiwilligen Zeitreise geworden, sie war offensichtlich das Bindeglied – auch wenn Henry nicht genau wusste, was sie eigentlich verband. Doch was sollte er Blueskin auf seine Frage antworten? Dass er Bess brauchte, um in die Gegenwart zurückzukehren? Oder besser gesagt, in die Zukunft? Dass er sie für diejenige hielt, die in der Lage war, ihn aus diesem Albtraum zu befreien?
    »Du willst ihr imponieren, was?«, nahm ihm Blueskin die Antwort ab. »Bist scharf auf das Miststück! Willst wieder den

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