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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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aufpassen sollen, doch dann war irgendetwas dazwischengekommen und die ganze Sache abgeblasen worden.
    »Kennst du eigentlich den irren Geoff?«, fragte Henry, nachdem Blueskin erneut ein Handzeichen gemacht und kurz darauf den Kopf geschüttelt hatte.
    »Den kennt jeder«, antwortete Blueskin.
    »Komischer Kauz, oder?«
    »Deswegen heißt er ja ›irrer Geoff‹.«
    »Gehört er zu Wilds Leuten?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil er immer so tut, als wüsste er was, von dem kein anderer eine Ahnung hat. Er redet wie ein verdammtes Orakel und taucht wie ein Gespenst auf, wenn man am wenigsten damit rechnet.«
    Blueskin lachte seltsam, zögerte einen Moment und schüttelte dann den Kopf. »Geoff ist einfach nur ein brabbelnder Schwachkopf, der nichts als dummes Zeug erzählt. ’ne Zeit lang hat er allen in den Ohren gelegen, nur er allein wüsste, wie’s zum Großen Feuer vor sechzig Jahren gekommen wär. Das hat er so lange gemacht, bis sie ihn kurzerhand in Bedlam eingesperrt haben. Das hat ihn zwar nicht kuriert, aber seitdem sagt er kein Wort mehr über das Feuer.«
    »Bedlam?«, wunderte sich Henry. »Meinst du das Irrenhaus?«
    Statt einer Antwort machte Blueskin abermals das Zeichen mit der Hand, und diesmal hatte auch Henry das Geräusch gehört. Es hörte sich an wie ein Knirschen oder Knarren. Im nächsten Augenblick öffnete sich etwa zehn Fuß über ihren Köpfen eine Tür, und ein schwacher Lichtschein fiel in den Graben.
    Blueskin und Henry saßen im Schatten einer ehemaligen Anlegestelle am Rand des Fleet, direkt unterhalb einer Mauer, die zu einem mehrstöckigen Gebäude gehörte, das auf dieser Seite keinerlei Fenster und nur eine einzige Tür besaß. Von der Anlegestelle war eigentlich nur eine schmale Steintreppe übrig geblieben, die auch deshalb ihren Zweck verloren hatte, weil der Fleet kaum noch Wasser führte und die Treppe im Nichts endete. Sie klebte sinnlos an der Fassade des Hauses, auf halber Höhe zwischen Tür und Fleet, und zerbröckelte langsam zu Schutt.
    Blueskin presste sich mit dem Rücken an die Mauer, und Henry tat es ihm nach. Gleichzeitig ertönte über ihnen in dem Türrahmen eine männliche Stimme: »Nun beeil dich! Die Ratten warten schon.«
    Ein zweiter Mann lachte als Antwort und rief: »Kommt und holt es euch!« Und im nächsten Moment wurde ein großer Bottich mit Essensresten und anderem Abfall in den Fleet entleert. Irgendetwas Weiches und Stinkendes landete auf Henrys Schulter, und er musste einen angeekelten Aufschrei unterdrücken.
    Die Männer mit dem Bottich verschwanden, ohne die beiden zu ihren Füßen bemerkt zu haben. Die Tür, die der erste Mann offen gehalten hatte, fiel von alleine zu, doch kurz bevor sie ins Schloss fallen konnte, hob Blueskin blitzschnell den Ast und schob ihn zwischen Tür und Rahmen. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen und rührte sich nicht vom Fleck. Er wartete eine Weile, und als er sicher war, dass die beiden Männer nichts bemerkt hatten und nicht zurückkommen würden, nickte er und meinte grinsend: »Du hast einen Fischkopf auf der Schulter.«
    Henry schüttelte sich angeekelt, fuhr sich mit der Hand über die Joppe und fragte: »Und jetzt? Machen wir ’ne Räuberleiter?«
    »Was?«, antwortete Blueskin irritiert.
    »Soll ich auf deine Schultern steigen?«
    »Schwachsinn!«, knurrte Blueskin und kraxelte an der Mauer hinauf, indem er sich in die Fugen krallte und jeden noch so kleinen Mauervorsprung als Fußtritt benutzte. In Windeseile war er auf der Treppe, kletterte weiter nach oben, öffnete die schwere Holztür und schwang sich über die Schwelle.
    Henry wollte ihm nacheifern, doch er rutschte ständig mit den Füßen ab, bekam keinen Halt mit den Fingern und landete immer wieder auf der Anlegestelle. Beinahe wäre er die glitschigen Steine hinuntergerutscht und im Morast gelandet.
    »Wo bleibst du denn?«, zischte Blueskin und hielt Henry den Ast hin. »Bist ja ungeschickt wie ’n Weibsstück!« Er lachte und zog Henry hinauf, der sich panisch an dem Ast festhielt, um nicht rücklings in den Fleet zu fallen.
    »War ja ein Kinderspiel«, sagte er etwas beschämt, als er oben angekommen war. »Nicht gerade eine Festung, wie du behauptet hast.«
    »Dummkopf«, antwortete Blueskin, warf den Ast hinaus und schloss die Tür. »Glaubst du wirklich, wir wären so einfach reingekommen, wenn’s hier irgendwas zu finden gäbe?«
    »Sind wir etwa gar nicht in Wilds Haus?«
    »Das schon, aber nur in dem Teil, den jeder sehen

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