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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Theaters. Und vielleicht war dieser Vergleich gar nicht mal so abwegig. Denn wie die Kulissen auf der Bühne nach Belieben geändert werden konnten, so bot die Holzkonstruktion die Möglichkeit, den Keller nach Bedarf umzubauen, neue Räume zu schaffen oder zu verbinden. Nur die Stützbalken blieben an Ort und Stelle, alles andere war variabel einsetzbar.
    »Wo gehen wir hin?«, flüsterte Henry.
    »Beichten«, antwortete Blueskin und legte den Finger auf die Lippen, um weitere Fragen zu unterbinden. Dann nahm er Henry die Kerze ab und öffnete die Tür zu einem Raum, der als Lager zu dienen schien. Gefüllte Säcke und pralle Schläuche waren in Regalen gestapelt, Krüge und Körbe standen auf dem Boden, und von der Decke hingen getrocknete Würste. Henry knurrte der Magen.
    Blueskin nahm sich einen Sack, schulterte ihn und verließ das Lager auf der anderen Seite. Henry tat es ihm nach und betrat einen breiten Flur, in dem sich einige Männer aufhielten und eifrig irgendwelchen Beschäftigungen nachgingen. Der eine polierte ein Paar Stiefel, ein Zweiter flickte den Ärmel seiner Jacke, und ein Dritter wusch etwas in einer riesigen Tonschüssel. Blueskin bugsierte den Sack auf die andere Schulter, damit sein dunkles Gesicht von den Männern nicht gesehen wurde, und bog gleich wieder rechts in eine Art Gewölbetunnel ein. Als Henry ihm folgen wollte, wurde er von dem Mann mit den Stiefeln zurückgehalten.
    »Wohin willst du, mein Freund?«, fragte der Mann und spuckte aufs Leder.
    »Zur Beichte«, antwortete Henry und lachte nervös.
    Der Mann nickte wissend und meinte: »Wenn du den General siehst, sag ihm, dass seine Stiefel wieder wie neu sind!« Er stellte die Stiefel beiseite und widmete sich dem nächsten Paar.
    »Ay«, machte Henry und folgte Blueskin schleunigst in den niedrigen Tunnel. Das gemauerte Gewölbe fiel merklich nach hinten ab, bis es an einer hölzernen Treppe endete, die ohne Geländer steil nach unten führte. Henry hatte keine Ahnung, wie tief sie inzwischen unter der Erde waren, aber er wusste, dass er den Weg nach draußen niemals wiederfinden würde. Blueskin hatte den Sack, in dem sich irgendwelche Getreidekörner zu befinden schienen, inzwischen von der Schulter genommen und auf den Boden gestellt und wartete, bis Henry sich ebenfalls seiner Last entledigt hatte. Dann deutete er die Treppe hinunter.
    »Da unten ist der Beichtstuhl«, flüsterte er und wehrte eine Nachfrage Henrys mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. »Vermutlich werden wir Bess dort finden. Es gibt aber nur diesen einen Weg hinein und keinen zweiten hinaus. Wenn sie uns dort unten erwischen, sitzen wir wie die Mäuse in der Falle.« Er bekräftigte seine Worte, indem er sich mit dem Zeigefinger über die Gurgel strich, stieg dann die Treppe hinab und leuchtete mit der Kerze in einen Gang, der ebenso niedrig war wie der Gewölbetunnel.
    »Vermutlich ist Jonathan Wild im Beichtstuhl«, flüsterte Henry.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil mir einer der Kerle eine Nachricht für ihn mitgegeben hat.«
    Im gleichen Augenblick hörten sie schlurfende Schritte, die sich vom hinteren Ende des Gangs näherten. Sofort löschte Blueskin die Kerze und kroch durch einen seitlichen Spalt unter die Holztreppe. Henry stand wie paralysiert am oberen Ende der Stiege und rührte sich nicht vom Fleck.
    »Verschwinde!«, zischte Blueskin.
    Henry zögerte kurz, hastete dann die Treppe hinunter und wollte sich ebenfalls unter der Treppe verstecken, doch es war kein Platz mehr für ihn. Blueskin fluchte leise, als Henry ihm versehentlich auf die Hände trat, und stieß ihn von sich.
    »Such dir ein anderes Versteck!«
    Ein flackernder Lichtschein näherte sich und erleuchtete das hintere Ende des Ganges. Zwei Männer gingen in Richtung Treppe, der eine von ihnen war so groß, dass er gebückt gehen musste, um nicht mit dem Kopf gegen die Decke zu stoßen. In der Hand hielt er ein Windlicht. Der andere Mann war von kleiner und schmaler Statur und stapfte mit auf dem Rücken verschränkten Armen voran.
    »Was machen wir jetzt mit ihr?«, fragte der Große.
    »Du hast gehört, was sie gesagt hat?«, antwortete der Kleine mit unangenehm hoher Stimme.
    »Ay!«
    »Warum fragst du dann so dämlich?«
    Verzweifelt suchte Henry nach einem Ausweg oder Versteck, wie ein Brummkreisel drehte er sich um die eigene Achse, bis ihm schwindlig war und er beinahe hingefallen wäre. Die Treppe!, schoss es ihm durch den Kopf. Was sonst! Doch statt nach oben

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