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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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einen Durchmesser von vielleicht zehn Zoll, kaum mehr. Doch an der Stelle, an der das Rohr in der Wand verschwand, war das Mauerwerk mit Brettern vernagelt.
    »Was treibt ihr da hinten?«, zischte Blueskin von der Tür aus. »Lasst uns rausgehen! Mit den drei Kerlen können wir’s allemal aufnehmen.«
    »Mit unseren zwei Messern gegen Degen oder sogar Pistolen?«, fragte Henry und zerrte an dem obersten Brett. »Und Bess? Sollen wir sie hierlassen?« Es gab ein lautes Knacken, dann war das Brett aus der Wand gerissen. Henry hielt den Atem an, und Blueskin öffnete die Tür einen Spaltbreit, um hinauszuschauen.
    »Alles in Ordnung«, flüsterte er, als er die Tür wieder geschlossen hatte. »Sie haben alle Hände voll damit zu tun, Quilt die Treppe hochzuhieven.«
    In der Zwischenzeit hatte Henry auch das zweite Brett herausgebrochen. Durch die Feuchtigkeit in dem Raum war das Holz morsch und wie aus Pappe. Als er das dritte Brett heraushebeln wollte, kroch ihm etwas über die Hand, und ein leises Fiepen war zu hören. Ratten! Henry schüttelte sich und trat kurzerhand die letzten Bretter aus der Wand. Wieder fiepte es, und die Ratten huschten davon. Allerdings nicht in Henrys, sondern in die entgegengesetzte Richtung.
    »Es gibt einen Schacht«, stieß er erleichtert aus. »Hoffentlich nicht nur für Ratten.«
    Er tastete die Öffnung in der Mauer ab und fand bestätigt, was er erhofft hatte. Die Rohre waren nicht in der blanken Erde, sondern in einer Art hölzernem Kanal oder ringsum verschaltem Graben verlegt. Entweder war dieser Kanal extra angelegt worden, um die Rohre leichter reparieren oder austauschen zu können, oder man hatte einen ohnehin vorhandenen Dränagegraben benutzt. Auf jeden Fall war der Graben groß genug, um bäuchlings hindurchzukriechen. Blieb nur zu hoffen, dass sich der Graben nicht zum Ende hin verjüngte.
    »Zieh dich aus!«, befahl er Bess.
    Bess kicherte und fragte: »Ganz?«
    »Wenn’s sein muss«, antwortete Henry und setzte hinzu: »Ich will dich nicht beleidigen, Bess, aber dein Hintern wird mit den Kleidern nicht durch den Schacht passen.«
    »Hat sich noch nie einer über meinen Hintern beklagt«, murrte sie. Es raschelte, als sie ihr Samtkleid auszog. Nur das Unterkleid behielt sie an. »Das muss reichen.«
    »Halt die Klappe!«, zischte Blueskin, der ebenfalls zur Rückseite des Bassins gekrochen war. »Sie kommen vom Beichtstuhl zurück. Los! Mach schon!«
    Henry war mittlerweile mit den Füßen voran in den Schacht hineingekrochen und stellte erleichtert fest, dass der Durchmesser sich zunächst nicht änderte und das Fortbewegen zwar mühsam und mitunter schmerzhaft, aber durchaus möglich war. Selbst für Bess, die ihm mit dem Kopf voran gefolgt war, reichte der Platz, auch wenn sie sich die Hüften an den Holzwänden abschabte und mehrmals vor Schmerz aufjaulte. Wenn sie feststeckte oder sich in den Rohrkupplungen verhakt hatte, zog Henry an ihren Händen, bis sie wieder frei war. In dem Augenblick, als auch Blueskin in den Kanal gekrochen war, wurde die Tür zur Zisterne geöffnet. Dumpfe Männerstimmen waren zu hören. Kerzenlicht beleuchtete den Beckenraum.
    Henry hoffte, dass die Ummauerung des Beckens hoch genug war, um die herausgerissenen Bretter dahinter zu verdecken. Und dass Bess ihr Kleid nicht über den Beckenrand gehängt hatte.
    »Hier sind sie nicht«, war eine Stimme zu vernehmen.
    »Habt ihr im Becken nachgeschaut?«
    »So tief ist das Wasser doch nicht.« Dennoch war kurz darauf ein leises Platschen und Klatschen zu hören. Vermutlich stießen die Männer mit ihren Degen oder Säbeln ins Wasser. Dann erklang ein missmutiges: »Nichts!«
    »Weiter!« Die Tür wurde wieder geschlossen.
    »Los!«, sagte Blueskin. »Sie kommen bestimmt bald zurück, und dann werden sie genauer hinschauen.«
    Die drei krochen weiter bäuchlings den Kanal entlang, der stetig anstieg und sich sogar ein wenig verbreiterte. Dennoch ließen die Dunkelheit und Beengtheit eine leichte Panik in Henry aufkommen. Ein Glück, dass er nicht unter Platzangst litt. Immer wieder fiepte es, und die Ratten krochen über sie hinweg. Henry hoffte, dass ihm keine ins Hosenbein kriechen würde. Schließlich stieß er mit den Füßen gegen einige Bretter, die genau wie auf der anderen Seite des Schachts den Ausgang versperrten. Er war froh, dass er sich entschieden hatte, rückwärts zu kriechen, denn so konnte er nicht nur Bess ziehen, sondern auch mögliche Hindernisse mit den Füßen beseitigen.

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