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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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zu flüchten, wie es auf der Hand lag, tat er das genaue Gegenteil und damit das Dümmste, was er überhaupt tun konnte: Er ging den beiden Männern entgegen. Er wusste selbst nicht genau, warum er es tat. Vielleicht war es eine Art panische Flucht nach vorn. Oder der schlichte Wunsch, alles möge bald ein Ende haben.
    »Was treibst du hier, Kerl?«, fragte der kleine Mann, den Henry an seinem Narbengesicht und an der piepsigen Fistelstimme als Jonathan Wild erkannte.
    »Ich soll Euch ausrichten, dass Eure Stiefel wie neu sind, Sir.«
    Jonathan Wild lachte ungläubig und starrte Henry belustigt an. »Deshalb kommst du her? Um mir zu sagen, dass meine Stiefel geputzt sind?« Er schüttelte den Kopf und wandte sich an den Hünen, den Henry bereits aus dem Haus am Wine Court kannte. »Wer ist der Schwachkopf?«
    Der Riese zuckte mit den Schultern und betrachtete Henry eindringlich, als überlegte er, woher er dessen Gesicht kannte.
    »Ich bin niemand, Sir«, sagte Henry und wollte auf dem Absatz kehrtmachen, doch im selben Augenblick zuckte Mr. Wild wie unter einem Peitschenschlag zusammen.
    »Die Kerze!«, rief er und griff sich an die Stirn.
    »Was ist damit?«, wunderte sich der Riese.
    »Ich hab sie im Beichtstuhl vergessen.«
    »Na und?«
    »Soll sie uns das verdammte Haus abfackeln, Blödmann?« Mr. Wild schlug dem großen Kerl wie einem kleinen Kind auf die Finger und rief: »Nun mach schon, Quilt! Aber lass mir das Licht hier.«
    Quilt Arnold nickte ergeben, reichte seinem Herrn und Gebieter die Laterne und stapfte ins Dunkel davon. Schon nach wenigen Schritten war er nicht mehr zu sehen. Nur ein leiser werdendes Schlurfen hallte durch den Gang.
    »Und jetzt zu dir!«, wandte sich Mr. Wild an Henry und packte ihn an der Schulter, dass ihm ein heißer Schmerz durch den Körper fuhr. Im selben Moment war ein dumpfer Schlag zu hören, sein fester Griff löste sich, Wild ging zu Boden und die Kerze mit ihm.
    »Nein, zu dir, du Schwein!«, knurrte Blueskin, der den Generaldiebesfänger mit einem gezielten Faustschlag gegen die Schläfe niedergestreckt hatte und nun den am Boden Liegenden mit derben Fußtritten traktierte. Als er nach seinem Dolch im Hosenbund griff, hielt Henry ihn zurück und schüttelte den Kopf.
    »Nicht! Lass das!« Henry nahm das Windlicht, dessen Glas gebrochen war, vom Boden auf und deutete zur Treppe. »Schnell, wir müssen ihn wegschaffen, bevor das Riesenbaby zurückkommt!«
    Blueskin nickte zögerlich, und gemeinsam bugsierten sie den Bewusstlosen unter die Treppe, was leichter war als gedacht, da Jonathan Wild so klein und schmächtig war. Kaum hatten sie ihn unter der Schräge verstaut und noch ehe sie ihre weiteren Schritte überdenken konnten, näherte sich ein Licht aus dem Tunnel am oberen Ende der Treppe. Henry und Blueskin erstarrten zu Salzsäulen, und im nächsten Augenblick erschien ein Mann am Kopf der Stiege, der in der einen Hand eine Kerze und in der anderen einen Holzeimer trug.
    »Was glotzt ihr so?«, fuhr sie der Mann an, als er den Fuß der Treppe erreicht hatte. »Noch nie ’nen Eimer gesehen?«
    Henry lachte albern, und Blueskin stieß ihn mit dem Ellbogen an.
    Der Mann mit dem Eimer schüttelte ärgerlich den Kopf und betrat den Gang, der zum Beichtstuhl führte. Doch nach wenigen Schritten wandte er sich nach links, öffnete eine schmale und niedrige Holztür, die Henry bislang völlig übersehen hatte, und verschwand dahinter. Nur wenige Sekunden später tauchte er wieder auf und machte sich auf den Weg nach oben. Als er an den beiden regungslos dastehenden Männern vorbeiging, erkannte Henry, dass der Eimer nun mit Wasser oder einer anderen klaren Flüssigkeit gefüllt war.
    »Kennen wir uns nicht?«, wandte sich der Mann an Blueskin.
    »Höchstens von Steckbriefen«, antwortete Blueskin, ohne die Miene zu verziehen. »Auch wenn die mir gar nicht ähnlich sehen.«
    Der Mann kommentierte die Antwort mit einer gehobenen Augenbraue, zuckte dann gleichgültig mit den Achseln, stieg die Treppe hinauf und verschwand im Gewölbetunnel.
    »Das war knapp«, keuchte Henry, doch Blueskin schüttelte den Kopf und deutete über Henrys Schulter in den Gang zum Beichtstuhl. Ein schwacher Lichtschein kündigte die Rückkehr von Quilt Arnold an.
    Diesmal war es Blueskin, der etwas scheinbar Dummes tat. Er nahm Henry die Kerze aus der Hand und stellte sie neben der Treppe auf den Boden. Das Licht beleuchtete nun den Körper des bewusstlosen Mr. Wild, dessen Füße seitlich

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