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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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Highscore.«

    Â»Wie lange sind Sie schon auf dem vierten Platz?«

    Â»Seit einem Jahr.«

    Â»Ist das lang?«

    Â»Das kommt drauf an. Wenn man Erster ist und es ein Jahr
bleibt, ist es nicht lang genug. Wenn man Vierter ist und es ein Jahr bleibt,
ist es zu lang.«

    Marcel Blumberg war nicht der erste Spieler mit philosophischen
Anwandlungen.

    Â»Sie können doch eigentlich ganz zufrieden sein mit Ihrer
Platzierung.«

    Â»Ich weiß, dass ich Erster werden kann. Ich wäre es beinahe
schon einmal geworden.«

    Â»Sie sind ein besserer Spieler als die anderen?«

    Blumberg nickte. »Und früher oder später wird sich das
auch im Highscore niederschlagen.«

    Â»Was ist schiefgegangen, dass Sie nicht Erster geworden
sind?«

    Â»Das war letztes Jahr bei der Meisterschaft. Ich verlor
eine Partie, nachdem ich reingelegt wurde.«

    Â»Von wem?«

    Â»Mehrere hatten sich gegen mich verschworen. Danach bin
ich ausgeschieden.«

    Ich notierte mir das. Die Aussage war vage und in diesem
Moment konnte ich nicht erkennen, dass das für unseren Fall wichtig war. Ich
nahm mir vor, später einmal über diese Partie zu recherchieren und ihren
Verlauf zu studieren. Am besten zusammen mit Ralf.

    Â»In Ihren Partien mit Tobias, haben Sie da zusammengespielt?«

    Â»Unterschiedlich. Mal so, mal so. Ich hatte da keine Präferenzen.«

    Â»Und haben Sie sich einmal gestritten?«

    Er schaute mich ratlos an. »Ich erinnere mich nicht an besondere
Konflikte. Aber warten Sie, wir schauen das einfach nach.«

    Wir folgten ihm in einen Raum, der eine Mischung aus
Archiv, Bibliothek und Büro war. Ein Computer stand eingezwängt zwischen
Bücherregalen, die bis zur Decke reichten. Der Raum war noch voller als das
Büro von Elias Grams und es herrschte weniger Ordnung als bei Martin Pracht. Dennoch
machten die Aktenordner, Bücher und Hefter den Eindruck, als folgten sie einer
strengen Systematik. Neben den unleserlich beschrifteten Aktenordnern entdeckte
ich eine meterlange Enzyklopädie und zahlreiche Lehrbände über Psychologie und
Geschichte.

    Ich fragte: »Was machen Sie beruflich, Herr Blumberg?«

    Â»Ich bin Schriftsteller«, sagte er. »Oder vielmehr
versuche ich, einer zu sein.«

    Â»Das ist ja interessant. Was schreiben Sie denn?«

    Â»Ich schreibe Romane mit einem alternativen Geschichtsverlauf.
Wie die Welt sich entwickelt hätte, wenn bestimmte Ereignisse anders oder gar
nicht eingetreten wären.«

    Wir schauten ihn nur an.

    Er erklärte: »Zum Beispiel, wenn Hitler 1933 ermordet
worden wäre. Oder wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. So etwas in dieser
Richtung.«

    Das fand ich spannend. Ich meinte, schon einmal so ein
Buch gelesen zu haben. »So wie Vaterland? «

    Â»Genau so.«

    Â»Haben Sie schon einen Roman veröffentlicht?«, fragte ich
interessiert.

    Bitterkeit floss aus seinen Augen in seine Stimme und
rang mit seiner freundlichen Hilfsbereitschaft. »Nein. Noch nicht. Aber mein
nächstes Manuskript wird sicher angenommen.«

    Ich erinnerte mich, dass erst kürzlich im Spiegel ein Artikel über den deutschen
Buchmarkt erschienen war. »Ich glaube, jedes Jahr werden über zwei Millionen
Manuskripte von Verlagen abgelehnt.«

    Â»Das kann sein.«

    Â»Und es gibt über neunzigtausend Neuerscheinungen. Aber
nur die wenigsten sind von deutschen Autoren, die neu entdeckt wurden.«

    Â»Ja, die Verlage nehmen lieber die Amerikaner, die schon
bekannt sind, weil man mit ihnen sicheres Geld verdienen kann.«

    Â»Das macht es schwer.«

    Â»Das kann man wohl sagen. Und es ist auch unfair. Ich
weiß, dass meine Texte mindestens genauso gut sind wie die, die sich schon auf
dem Markt befinden und jedes Jahr hinzukommen. Trotzdem erhalte ich nur
Absagen.«

    Das erklärte die Frustration in seiner Stimme. »Was ist
mit einem Print-on-Demand-Verlag?«

    Er schaute mich mit einer Mischung aus Kränkung und
Entrüstung an, als hätte ich ihm ein unmoralisches Angebot gemacht. Dann sagte
er gepresst: »Das habe ich nicht nötig. Was da erscheint, ist alles Schrott. Um
es einmal positiv auszudrücken.«

    Für mich klang das, als habe sich Marcel Blumberg in eine
unnötig frustrierende Situation gebracht und sich selbst gründlich den Ausweg
verbaut. »Sie bleiben dran?«

    Â»Natürlich. Mein nächstes Manuskript ist beinahe

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