Gegen jede Regel
ganzen
Beziehungswirrwarr am Ende meine Fantasie mit mir durch?
»Und die Zeit, in der sich Jan und Tobias getroffen haben �«
»Das könnte sein. Meine ich das nur oder ist der Fall mit
einem Mal etwas schlüpfrig geworden?«
»Vielleicht ein bisschen«, stimmte Nina mir zu.
»Ach ja, ich hatte ganz vergessen, wo du vorher warst.« In
der Abteilung für Sittlichkeitsverbrechen wurden natürlich andere Fälle
behandelt als ein paar umtriebige Teenager. Mir kam noch ein anderer Gedanke. »Vielleicht
sind die alle deshalb so schwach in der Schule, was meinst du? Die haben gar
keine Zeit zum Lernen bei so einem Beziehungsstress.«
Nina grinste. »Das kann sein. Vielleicht haben sie auch ihre
Prioritäten anders gesetzt als Frau Veen.«
Ich sagte mit gewichtiger Stimme: »Frau Veen hat Tobias
Einzelstunden erteilt.«
Nina schaute mich an. »Du hast eine blühende Fantasie.«
Das befürchtete ich auch. Ich sagte: »Ich weià nicht, wie
es bei euch ist, aber ich kann sicher sagen, jeder Junge macht sich früher oder
später einmal warme Gedanken, in denen eine seiner Lehrerinnen vorkommt.«
Ninas Blick wurde durchdringender. Sie zögerte, als ob
sie noch abwägen müsste, ihre Worte auszusprechen oder für sich zu behalten. »Vielleicht
gibt es auch Frauen, die Fantasien über Teenager haben«, sagte sie schlieÃlich
unbestimmt.
»So ein Junge und so eine Frau würden ja dann ganz gut
zusammenpassen, oder?«
Nina schaute mich skeptisch an. »Das kann sie ihre Stellung
kosten.«
»Ich wollte nicht gleich über Stellungen mit Frau Veen
sprechen«, wandte ich ein. »Aber mit ihrem Einzelunterricht hat sie sich für
eine Einzelbefragung durch uns qualifiziert.«
»Das stimmt«, sagte Nina ohne Zögern. »In einem Leistungskurs
gibt eine Lehrerin keinen Nachhilfeunterricht. Wenn das Niveau zu hoch ist, hätten
sie ihm einen anderen Kurs anbieten müssen.«
»Förderangebote gibt es nur für Schüler in den Grundkursen«,
ergänzte ich. »Mit echten Problemen. Mangelhaft oder schlechter.«
»Und«, betonte Nina, »dann ist es ein Förderkurs. Ein
Lehrer, viele Schüler.«
»Dieser Fall«, sagte ich mit einem Seufzer, »hat so
einfach angefangen. Ein Junge ist ermordet worden. Ein Einzelgänger. Isoliert.
Musik, Computerspiele. Vielleicht hätten wir ein oder zwei Personen gefunden
mit einem Motiv. Aber jetzt â¦Â«
»Wird es dir zu anrüchig?«
Ich schaute zum Fenster hinaus in den trüben Nieselregen,
der den Tag in eine dunkelgraue lange Nacht hinüberführen würde. »Ich lag mit
meiner ersten Einschätzung ziemlich daneben.«
»Ich auch.«
»Ich möchte morgen noch einmal zum Haus fahren und mir
sein Zimmer ansehen«, sagte ich.
»Dann machen wir das«, sagte Nina.
Die Laternen gingen an. Ihr Licht sickerte durch den Regen
zu Boden. Ich zwang meinen Blick zu Nina. »Danke«, sagte ich.
Sie drehte den Zündschlüssel um, der Motor sprang an und
wir fuhren los.
Â
Es war schon fast halb sechs und wir hatten noch
eine Besprechung im Team vor uns, um unsere neuen Erkenntnisse auszutauschen.
Eine Prioritätenliste für die Verwendung des restlichen Tages zu erstellen,
fiel mir erstaunlich leicht. Der Besuch in der Gerichtsmedizin würde bis morgen
warten müssen. Stattdessen rief ich Karl von unterwegs an.
»Wir kommen erst morgen«, erklärte ich ihm. »Eine Befragung
hat länger gedauert. Was hast du herausgefunden?«
»Willst du die schnelle oder die ausführliche Antwort?«,
fragte er.
Ich sagte: »Die schnelle.«
»Er wurde erstochen. Die Klinge ist durch den Rücken
eingedrungen und hat das Herz durchbohrt. Das war definitiv die Todesursache.«
»Wie viele Stiche gab es?«
»Einen. Und der war sehr präzise ausgeführt.«
»Hätte das auch ein Mädchen tun können?«
»Natürlich«, sagte Karl. »Dazu war keine besondere Kraft
erforderlich. Von der Höhe der Stichwunde und vom Einstichwinkel her kann ich
keine KörpergröÃe über einen Meter fünfzig ausschlieÃen.«
»Und die Tatwaffe?«
»Ich tippe auf ein ganz normales Küchenmesser mit langer
glatter Klinge.«
»Hattest du nicht gesagt, die Wunde sehe ungewöhnlich
aus?«
»Das sieht sie auch. Aber
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