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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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gesehen habt?«

    Jessica griff nach Natalies Hand. »Manchmal … manchmal
hatte er so eine Phase …«

    Wir warteten geduldig, trotzdem musste Natalie schließlich
die Worte aussprechen: »Dann wollte er einfach niemanden um sich haben. Ganz
alleine sein. Wahrscheinlich zum Komponieren.«

    Â»Wie kommst du darauf?«, fragte ich.

    Â»Er hatte danach immer ein paar neue Stücke dabei«, antwortete
Jessica.

    Ich hatte im Gespräch mit Herrn Werle aufgepasst und
hakte nach: »Hat er denn nicht mit dir zusammen komponiert?«

    Wenn sie überrascht war, dass ich das wusste, so zeigte
sie es nicht. »Manchmal. Aber meistens war es so, dass er seine neuen Stücke
mitbrachte und wir sie zusammen überarbeitet haben, damit wir sie auch spielen
konnten.«

    Â»Und das passierte öfter?«, fragte Nina.

    Alle vier Schüler nickten, aber niemand wollte das näher
erklären.

    Â»Wie lief das ab?«

    Jessica schniefte in ein Taschentuch. »Er wurde ganz verschlossen.
Abweisend. Er hat einfach nicht mehr mit uns gesprochen, so als wären wir nicht
mehr da.«

    Â»Aha.«

    Â»Manchmal beschimpfte er uns. Vor allem Jessica«, fügte
Natalie hinzu.

    Â»Das hat er nur gemacht, weil er seine Ruhe haben wollte«,
sagte Jan. Es klang wie eine matte Entschuldigung.

    Ich sah, wie Ninas Augenbrauen sich bewegten. Das taten
sie nur, wenn Nina wirklich erstaunt war. Heikes Vernehmung war offenbar nicht
so interessant gewesen wie die von Jan.

    Â»Und dann?«

    Â»Dann ging es weiter.«

    Â»Einfach so?«

    Â»Ja.«

    Â»Warst du denn nicht sauer auf ihn?«, fragte ich Jessica.

    Â»Natürlich war ich sauer. Aber Tobias war … Es war unmöglich,
auf ihn böse zu sein. Er war einfach so … Es ist schwer zu beschreiben. Er war
einfach unwiderstehlich. Ich konnte ihn nur lieben.«

    Einem echten Genie verzieh eben jeder gerne die ein oder
andere Extravaganz.

    Â»Hmm. Wie oft hat er das gemacht?«, fragte Nina.

    Â»Nicht so oft«, sagte Jessica.

    Â»Vielleicht alle zwei Monate«, sagte Natalie.

    Das bedeutete, alle acht Wochen hatte Tobias so etwas wie
einen Genialitätsschub gehabt.

    Jessica nickte, um Natalies Einschätzung zu bestätigen.
Nina schaute mich an, aber ich hatte im Moment keine weiteren Fragen. Es gab
noch die eine oder andere Beziehung, die wir näher untersuchen mussten, aber
das konnten wir in dieser Runde nicht.

    Â»Wo wart ihr in der Nacht von Sonntag auf Montag?«

    Â»Zu Hause«, sagte Natalie.

    Â»Zu Hause«, sagte auch Jessica.

    Â»Gechattet?«, fragte ich.

    Â»Und telefoniert«, fügte Natalie an.

    Â»Wir haben miteinander telefoniert. Vielleicht bis elf
Uhr.«

    Â»Dann bin ich ins Bett gegangen.«

    Â»Ich auch.«

    Das war immerhin etwas. Aber das Alibi konnte auch abgesprochen
sein und es deckte die wirklich wichtige Zeit nicht ab. Natürlich war es auch
vorstellbar, dass die Mädchen am Telefon besprochen hatten, was sie mit Tobias
anstellen wollten, und ihn danach gemeinsam umgebracht hatten.

    Wir bedankten uns und verteilten unsere Karten. »Wir
werden morgen noch einmal vorbeikommen und weitere Fragen stellen«, sagte Nina,
bevor wir uns verabschiedeten.

    Herr Werle verabschiedete sich an der Tür von uns und
sagte, er wolle noch bei den Schülern bleiben und sehen, ob einer von ihnen
Unterstützung brauche. Das war entweder professionell oder fürsorglich.
Vielleicht sogar beides.

    Â 
    Ich atmete erleichtert aus, als die Autotür ins
Schloss fiel, und öffnete meinen feuchten Mantel. »Was für eine Gruppe«,
seufzte ich.

    Â»Heike hat ein schlechtes Gewissen. Sie macht sich für
Tobias’ Tod verantwortlich.«

    Das passte ins Bild. »Sie ist nicht die Einzige mit einem
schlechten Gewissen.«

    Nina schaute mich fragend an.

    Â»Ich glaube, in dieser Band wird nicht nur mit Musik experimentiert.«

    Â»Du sprichst in Rätseln.«

    Ich schilderte Nina kurz die Ergebnisse der Befragung von
Jan.

    Â»Oh«, sagte sie und ihre Augenbrauen bewegten sich wieder.

    Â»Ich habe das Gefühl, dass hier noch einiges unter der Oberfläche
liegt.«

    Â»Ja, das kann sein«, sagte Nina nachdenklich. »Hast du gesehen,
wie Jessica Natalies Hand gehalten hat?«

    Das hatte ich. »Vielleicht haben die beiden zusammen das
eine oder andere einsame Wochenende überbrückt.« Oder ging in diesem

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