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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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sie. »Und zu mir gehört auch die dienstliche Migräne.«

    Das war eine beneidenswerte Einstellung, fand ich und
nahm mir einmal mehr vor, mich auch in diese Richtung zu entwickeln.

    Â 
    Ich hatte es mir schon lange zum Vorsatz gemacht,
meine Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen, und zu meiner eigenen Überraschung
klappte das in den letzten Monaten zum ersten Mal in meiner Berufslaufbahn
zumindest in Ansätzen. Einen großen Teil der verwirrenden Einzelheiten dieses
Falls ließ ich im Büro zurück und mit jeder Station meines Heimwegs verblasste
der Rest ein wenig mehr. Als ich die Autotür schloss, überlegte ich bereits, ob
ich noch genügend Aufschnitt im Kühlschrank hatte. Als ich den Parkplatz
verließ, dachte ich darüber nach, ob ich noch ein Bad nehmen oder mir das
Spätprogramm im Fernsehen anschauen sollte. Als ich schließlich die Reflektoren
im Scheinwerferlicht aufleuchten sah, die die Abzweigung zu meinem Haus markierten,
und in die schmale Zufahrtsstraße einbog, war ich sowohl körperlich als auch
geistig genau dort und nirgendwo anders.

    Ich parkte vor der Garage und die Außenbeleuchtung wurde
automatisch aktiviert. Das Haus war weder im Licht der Novembersonne noch im
Licht der Glühlampen besonders ansehnlich, aber es gehörte mir und ich ging
hinein. Der Flur mit Garderobe war einer der Bereiche, die ich schon fertig
renoviert hatte. Es hatte mich drei Wochen täglicher Arbeit gekostet, erst die
alte Tapete zu entfernen, den Putz wiederherzustellen, die vergilbten
Bodenfliesen und die verrotteten Deckenhölzer abzureißen und schließlich den
Raum nach meinen Wünschen neu zu gestalten.

    Ich ließ meine Jacke und meine Schuhe im Flur und ging in
die Küche, die zumindest schon teilweise fertig war, denn ich hielt es für
zweckmäßig, dass ich mir etwas zu essen kochen konnte. Ich schmierte mir ein
Brötchen und setzte Teewasser auf. Während der Wasserkocher zu zischen begann,
fiel mein Blick auf den Mauerdurchbruch und in das Zimmer, wo einmal der Essbereich
und das Wohnzimmer entstehen sollten. Der Durchbruch war zwar professionell
durchgeführt, der Stahlträger verkleidet und die Mauerreste verputzt, aber die
Wände des künftigen Wohnzimmers waren noch kalt, kahl und nur blanker Putz.

    Ich wandte mich ab und goss meinen Tee auf. Dieses Haus
bedeutete unendlich viel Arbeit. Und genau deshalb hatte ich es gekauft.

    Es war anderthalb Jahre her, dass meine Scheidung rechtskräftig
geworden war. Da ich eine Anwältin zur Frau gehabt hatte, war der Prozess nicht
unbedingt zu meinem Vorteil verlaufen, und ich war froh, als es überstanden
war. Da ich zunächst einmal nicht wusste, wo ich leben sollte, mietete ich die
erstbeste Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das auf mich einen soliden
Eindruck machte. Die Zimmer waren hell und frisch renoviert und ich konnte
sofort einziehen. Obendrein war der Mietpreis okay und ich rechnete mir aus,
dass ich im Monat einen ansehnlichen Betrag zurücklegen konnte.

    Die Wohnung erwies sich allerdings bald als Albtraum.
Zuerst wurde ich auf den Nachbarn über mir aufmerksam, einen Fabrikarbeiter mit
kahl rasiertem Schädel und einer Harley-Davidson, die den Putz zum Rieseln
brachte, wenn er damit vorfuhr. Er hatte die unangenehme Eigenschaft, jeden Tag
um vierzehn Uhr nach Hause zu kommen und dann die Musik bis abends so laut
aufzudrehen, dass sie selbst den Motor seiner Harley übertönt hätte. Als ich
ihn einmal darauf ansprechen wollte, wehte mir aus seiner Wohnung ein
unerträglich intensiver Biergeruch entgegen, dass ich so flach atmen musste wie
in der Gerichtsmedizin, um mich nicht zu übergeben. Kommunikation war mit
diesem Mann nicht möglich. Weder konnte ich in seiner Gegenwart sprechen, denn
das hätte auch atmen bedeutet, noch konnte ich mit Worten den Alkoholnebel
durchdringen.

    Als ich dann zum ersten Mal hörte, wie meine Nachbarn,
deren Eingangstür meiner gegenüberlag, sich stritten, ahnte ich, warum die
Wohnung frei gewesen war. Die beiden begannen ihren Streit nahtlos, nachdem
oben die Musik ausgegangen und der Arbeiter buchstäblich ins Bett gefallen war.
Dabei schrien sie so laut, dass ich jedes Wort verstand. Die beiden hatten
allerhand Probleme miteinander und tauschten ganze Kataloge von Vorwürfen aus,
aber ich mochte weder die erfundenen Geheimnisse in Talkshows noch die echten
Geheimnisse meiner

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