Gegen jede Regel
derselben Clique, die es witzig fand, mir mein
Versagen in der Ehe unter die Nase zu reiben. Diese Kollegen fädelten das ein,
was sie für die gröÃte aller Schikanen hielten. »Markus braucht doch sowieso
eine neue Partnerin«, sagten sie. Und so kam es.
Nina verkörperte alles, was auch ich verkörpern wollte,
wovon ich mich aber weiter entfernt hatte als jemals zuvor. Sie kam mit einigen
Erfolgen aus ihrer vorherigen Dienststelle. Sie zeigte sich unbeeindruckt
davon, dass ich damals sicher keine gute Figur machte und mein Ruf nicht der
beste war. Sie strahlte Ruhe und Gelassenheit aus, die weder durch
Anzüglichkeiten noch durch Schikanen zu erschüttern waren. Ich fragte mich, wo
die Quelle ihrer Kraft lag, und beneidete sie.
Aber es dauerte nicht lange, bis mir klar wurde, wie unsinnig
es war, Nina zu beneiden. Neid half nicht weiter. Was Nina schaffen konnte, war
auch für mich nicht unmöglich. Wenn ich mich selbst in einen Abgrund manövriert
hatte, so würde ich auch wieder einen Weg zurück finden.
Es fiel mir von Anfang an leicht, mit Nina ins Gespräch
zu kommen. Am zweiten Tag unserer Zusammenarbeit diskutierten wir meine
Wohnsituation. Am dritten Tag kündigte ich meine Wohnung und zog in ein Hotel.
Meine Möbel lieà ich einlagern. Nina besorgte mir ein preiswertes Notebook und
zeigte mir die wichtigsten Immobilienbörsen im Internet. Das war meine Rettung.
Das Hotel war teuer und es war immer etwas los. Dafür konnte ich aber nachts regelmäÃig
zwischen sechs und sieben Stunden schlafen. Ich war sehr bescheiden geworden.
AuÃerdem gab es ein gutes Frühstück.
Dann hatte ich Glück im Unglück. Die Welt stürzte in eine
Wirtschaftskrise, wie sie seit den 1920er-Jahren ohne Beispiel war. Die
Arbeitslosigkeit stieg an, die Immobilienpreise sackten ab. Die Europäische
Zentralbank wollte die Vergabe von Krediten beleben und senkte die Leitzinsen
so weit ab, dass sie das Geld auch hätte verschenken können.
Ich stieà im Internet immer wieder auf ein Angebot, das weder
auf den ersten noch auf den zweiten Blick in irgendeiner Form attraktiv war.
Aber es kam immer wieder. Als der Makler schlieÃlich den Preis so weit
reduziert hatte, dass ich das Haus einfach nicht mehr ignorieren konnte, vereinbarte
ich einen Besichtigungstermin. Es war ein verregneter Nachmittag mit tief
hängenden Wolken, gefüllt mit Zwielicht und einer Vorahnung der Abenddämmerung.
Auf der LandstraÃe fuhr ich in gröÃeren Abständen an einsam gelegenen Höfen
vorbei und nahm zunächst an, eines dieser Häuser stehe zum Verkauf. Aber keines
von ihnen trug die richtige Hausnummer.
Ich verpasste die Abzweigung zum Haus drei Mal, bevor ich
sie entdeckte. Der brüchige Asphalt war fast vollständig unter einer kleinen
Seenplatte aus Pfützen verschwunden. Ich war mutig genug, mein Auto auf den
schmalen Weg zu lenken, und rollte durch ein kleines Wäldchen die Zufahrt
entlang.
Das Haus wirkte noch düsterer als der Tag. Von der Bauweise
her war es ein Stadthaus mit verwitterter Backsteinfassade und quadratischem
Grundriss. Ich vermutete zwei Stockwerke und einen Dachboden, aber im Zwielicht
und hinter dem Regenschleier blieb das eine Ahnung. Hätte ich nicht in diesem
Moment den Makler entdeckt â und er mich â, ich hätte sofort umgedreht und
wäre wieder gefahren.
Wir besichtigten das Haus. Mein mürrisches Gesicht war
kein Verhandlungstrick. Aber während wir durch die Räume gingen, die alle noch
im Stil der 1970er-Jahre ausgestattet waren, änderte ich meine Meinung. Das
Haus war heruntergekommen, lag vollkommen abseits und war dringend sanierungsbedürftig.
Das Baujahr war irgendwo zwischen 1900 und 1910 anzusiedeln. Aber es war auch
auf eine Art und Weise schön, die schwer zu erklären ist. Der Grundriss gefiel
mir, die Zimmer waren zweckmäÃig angeordnet ohne viel Schnickschnack, die
Fenster befanden sich in der richtigen GröÃe am richtigen Platz. Aber es war
mehr als das. Trotz der verwahrlosten Oberfläche bewirkte die warme Atmosphäre
des Hauses, dass ich mich heimisch fühlte.
Ich dachte an vernachlässigte und ausgestoÃene Hunde im
Tierheim, die dem Menschen, der sie aufnahm und sich um sie kümmerte,
bedingungslos ihr Herz schenkten.
Hinzu kam die absolute Stille im Haus. Das einzige wahrnehmbare
Geräusch war das des Regens. Die StraÃe war
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