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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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ich
mich mit meinen Freundinnen verabredet. Wir wollten eine kleine Radtour machen.
Aber als ich losfahren wollte, ist mir die Kette abgesprungen und ein Zahnrad
noch dazu.«

    Â»Und dann?«

    Â»Tobias wollte auch gerade losfahren, hat mich gesehen
und gefragt, ob er mir helfen kann.«

    Â»Er war hilfsbereit.«

    Â»Ja, er war sehr hilfsbereit. Und er konnte es auch wirklich
reparieren. Es hat ungefähr zwanzig Minuten gedauert, dann konnte ich wieder
fahren. Wenn er mir nicht geholfen hätte, wäre die Radtour für mich ausgefallen.«

    Â»Hatte er denn irgendwelche Hobbys in dieser Richtung?
Mechanisch, technisch?«

    Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Wie gesagt, viel
weiß ich nicht über ihn. Er war sehr freundlich und hilfsbereit. Das ist auch
schon alles.«

    Â»Er mochte Heavy Metal«, sagte Nina.

    Frau von Neudeck lächelte. »Ja, das stimmt. Das konnte
man nicht überhören.«

    Â»Drehte er öfter laut auf?«

    Â»Wenn seine Eltern nicht da waren, ja.«

    Â»Hat Sie das denn nicht gestört?«

    Â»Ach was, überhaupt nicht. Ich war schließlich auch mal
jung.«

    Nina machte eine Pause, bevor sie weitersprach. »Am Sonntagabend
gab es einen Polizeieinsatz wegen Ruhestörung.«

    Frau von Neudeck seufzte. »Meinen Mann hat die laute
Musik immer wahnsinnig aufgeregt. Er konnte sich überhaupt nicht beruhigen. Ich
habe ihm immer gesagt, er solle sich ein wenig entspannen. Es hat nicht
geholfen. Er hat die Polizei gerufen.«

    Â»Und Anzeige erstattet.«

    Â»Ach so? Das wusste ich gar nicht. Aber es passt zu ihm.
Ich habe ihm auch gesagt: ›Geh doch einfach mal rüber, sag Bescheid, dass dich
das stört. Das ist dem Tobias gar nicht klar.‹ Aber er ist hier nur auf und ab
gelaufen und hat geflucht.«

    Das war interessant, denn wenn der eine nicht bereit war,
mit dem anderen zu sprechen, hatten beide wahrscheinlich eine gemeinsame Vorgeschichte.
Die Frage war, worin diese Vorgeschichte bestand.

    Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen hatte ich natürlich
gewisse Sympathien für Herrn von Neudeck. Ich fragte: »Woher wissen Sie, dass
Tobias das nicht absichtlich gemacht hat, um Ihren Mann zu ärgern?«

    Â»Ich …« Sie suchte ungefähr zwei Sekunden nach Worten,
bevor sie eine Antwort geben konnte. »Denken Sie doch mal selbst zurück. War
Ihnen das als Teenager überhaupt bewusst, dass Sie jemand anderen stören könnten?
Das liegt überhaupt nicht in der Wahrnehmung in so einem Alter.«

    Das mochte sein, aber ich war mir nicht sicher, ob das
vom Alter abhängig war. Ich dachte zurück an die Beschreibung des hilfsbereiten
Tobias, der das Fahrrad reparierte. War das vielleicht auch einer jener Momente
gewesen, in dem der Magnetismus dieses Jungen zugeschlagen hatte? War Frau von
Neudeck in sein Gravitationsfeld geraten und in seine Umlaufbahn eingeschwenkt?

    Ich folgte einer plötzlichen Ahnung und zog die Ausdrucke
der E-Mails aus Ninas Tasche. Ich fand das Foto von der bisher unbekannten Frau
und legte es auf den Couchtisch.

    Frau von Neudecks Reaktion war eindeutig. Sie begann zu
glühen wie ein überhitzter Dampfkessel und schlug beschämt die Augen nieder.

    Nina sagte: »Kommen wir noch einmal zu Ihrer Beziehung zu
Tobias zurück. Wie lange ging das schon?«

    Â»Seit den Sommerferien«, sagte sie tonlos.

    Â»Als er Ihr Fahrrad repariert hat.«

    Â»Ja.«

    Â»Wie fing das an? Ich meine, von der Hilfe bei der Fahrradreparatur
bis zu solchen E-Mails kommt es ja nicht von alleine.«

    Â»Ich … Doch, irgendwie schon. Es ging alles so leicht und
selbstverständlich.«

    Â»Wie fing das an?«, fragte Nina noch einmal.

    Â»Ich fand ihn so nett, wissen Sie. Ich stand verloren da
mit meinem Fahrrad. Und er hat einfach geholfen. Ohne Kommentare über Frauen
und Technik, ohne aufdringlich zu sein, ohne mir in den Ausschnitt zu starren.
Es war einfach angenehm, in seiner Nähe zu sein.«

    Ich fragte mich, mit welchen Leuten Frau von Neudeck
sonst Umgang hatte.

    Â»Ich wollte mich bedanken. Aber ich habe ihn so selten
gesehen. Und extra zu klingeln schien mir ein wenig übertrieben. Also habe ich
ihm eine Karte geschickt.«

    Â»Sie meinen eine Postkarte?«

    Â»Nein, so eine elektronische Grußkarte. Sie wissen schon.«

    Â»Und dann?«

    Â»Ich schrieb ihm, wie dankbar ich ihm sei und dass er

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