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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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konnte.

    Â»Das müsst ihr euch ansehen, ich kann es selbst nicht
glauben, was er hier für Programme drauf hat.«

    Â»Es gibt nichts, was Nina nicht schon gesehen hätte«, behauptete
ich.

    Man hörte durch das Rauschen der Leitung, wie Simon
stutzte. Dann sagte er: »Ach Quatsch, ich meine keine Sexsachen. Ich meine
Hackerprogramme. Profiwerkzeuge. Einfach unglaublich.«

    Â»Wir kommen später vorbei«, sagte Nina.

    Â»Gut, gut. Bis dahin habe ich Namen und Adresse der
dritten Frau herausgefunden.«

    Ich sagte: »Von Neudeck. Die Nachbarin.«

    Simon war verblüfft. »Ja … Aber woher weißt du das?«

    Â»Wir haben das gemacht wie früher. Mit den Leuten reden,
Fragen stellen, kombinieren, ein wenig Instinkt. Und schon hatten wir sie.«

    Â»Stimmt das, Nina?«, fragte Simon.

    Â»Ja«, bestätigte sie.

    Ich fügte hinzu: »Ganz ohne IP-Adresse und Providerdatenbank.«

    Â»Der Triumph sei dir gegönnt.«

    Ich unterbrach die Verbindung. »Heavy-Metal-Bandleader, Komponist,
Casanova. Und jetzt auch noch ein Hacker?«

    Â»Ziemlich viel«, stimmte Nina mir zu. »Die übergreifende
Bezeichnung ist wohl Genie.«

    Â»Ach stimmt, das hatte ich ganz vergessen.«

    Â»Was nun? Wollen wir uns Leah Kling für später aufheben?«

    Genau das war auch mein Gedanke gewesen. Wir hatten uns
länger als gedacht bei der Nachbarin aufgehalten, aber bis zu unserem festen
Termin, der Besprechung um dreizehn Uhr, blieb noch etwas Zeit. Unseren Besuch
in der Gerichtsmedizin hielt ich auch für sehr wichtig, ebenso wie einen Blick
auf den Computer zu werfen, weil sich dadurch wieder ein ganz neues Feld für
die Ermittlungen ergeben konnte. Außerdem hatten wir mit Frau von Neudeck einen
unerwarteten Erfolg gehabt und nunmehr alle drei Frauen identifiziert.

    Â»Es wird mit Frau Kling ganz ähnlich abgelaufen sein«, sagte
ich. »Und wenn nicht, hat das Zeit bis zum Nachmittag.«

    Â»Gerichtsmedizin oder Computer?«

    Â»Erst die Gerichtsmedizin, dann haben wir es hinter uns.«

    Ich rangierte aus der Einfahrt heraus und fädelte mich in
den Vormittagsverkehr ein, der uns durch den Wald auf die Landstraße und zurück
nach Krefeld brachte. Der Nieselregen wechselte mal in einen feinen Nebel, mal
in einen schwachen Schauer. Es gelang mir nicht, ein passendes Intervall für
die Scheibenwischer einzustellen. Dafür begann nun die hellste Zeit des Tages
und ich rechnete jeden Moment damit, dass die Straßenlaternen ausgehen würden.

    Als wir in die gekachelten Räume hinunterstiegen, fragte
ich mich, warum wir uns das eigentlich antaten. Aber es gehörte einfach zu den
Dingen, auf die wir als Ermittler nur in Ausnahmefällen verzichten konnten.

    Was mich an der Gerichtsmedizin belastete, war nicht der
Anblick der Toten, sondern ihr Geruch. Ein unbeschreiblicher, alles
durchdringender süßlicher Gestank nach Verwesung und Verfall, den man nicht
vergessen und nur mit Wasser und extra viel Weichspüler wieder aus seinen
Kleidern vertreiben konnte. Während der Jahre, in denen ich bei der Polizei
arbeitete, hatte sich einiges verbessert. Aber auch mit Desinfektionsmitteln
und dem antiseptischen Krankenhausgeruch konnte man nicht verbergen, dass wir
uns in der Abteilung befanden, in der der Tod verwaltet wurde.

    Nachdem wir durch zwei Flügeltüren gegangen waren, kamen
wir in den Obduktionsraum. Die süßliche Fäulnis umschlang uns mit aller Macht.
Mir blieb die Luft weg. Ich musste mich zwingen, flach zu atmen.

    Karl stand an einem Tisch und füllte einige Formulare
aus. Der Obduktionstisch war leer und auch sonst nirgends eine Leiche zu sehen.
Er blickte auf, als wir eintraten. »Oh, ihr kommt gerade richtig, bevor ich
weitermache.«

    Ich überließ Nina das Sprechen und widmete mich ganz
meiner Atmung.

    Â»Können wir ihn anschauen?«

    Â»Sofort«, sagte Karl und unterzeichnete das Formular.
Dann legte er den Stift zur Seite und griff in ein Regal, um dort eine andere
Akte herauszuholen.

    Die Zeit dehnte sich ins Unendliche, während ich versuchte,
den Geruch aus meinem Bewusstsein auszublenden. Karl ging zu der Wand mit den Kühlfächern.
Er griff zielsicher nach einer Tür und zog sie auf, Tobias glitt uns entgegen.

    Ich betrachtete ihn nun mit anderen Augen als noch am Tag
zuvor. Ich wusste jetzt, wie gut er bei den Frauen angekommen war, und

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