Gegen jede Regel
Metapher.«
»Mit dem Messer? Natürlich!«, sagte Ralf hastig.
»Normalerweise verlaufen diese Spiele also ohne Todesopfer?«,
fragte ich.
Ralf wurde ein wenig blass. »Ja.« Dann dämmerte es ihm.
Er starrte mich an. »Du glaubst doch nicht etwa � Das ist nicht dein Ernst,
oder?«
Ich wandte mich an Simon. »Tobias hat dieses Spiel gespielt,
oder?«
Simon nickte. »Er hat es gespielt. Aber nicht als Brettspiel,
sondern im Internet. Ein Spiel per E-Mail.«
»Das gibt es auch im Internet? Das wusste ich nicht«, sagte
Ralf interessiert. Er beugte sich vor. »Und ich dachte, ihr seid bei Wikipedia. «
»Vielleicht haben noch mehr Leute Schwierigkeiten mit den
Mitspielern«, meinte ich. Ich hätte zumindest keine Lust, mich mit meinen
Freunden zu treffen und mich von ihnen hereinlegen zu lassen. Ganz zu schweigen
davon, andere hereinzulegen.
Ralf schaute wie gebannt auf den Bildschirm. Er lieà sich
von Simon einen Zettel geben und notierte sich die Adresse der Seite. Ich
vermutete, dass es dort heute Abend einen neuen Teilnehmer geben würde.
Simon sagte: »Das Spielkonzept bietet sich dafür an, dass
man es im Internet umsetzt. Kommunikation ist ein wesentlicher Teil des Spiels.
Die läuft hier per E-Mail ab. Die Züge werden dann von einem Spielleiter
ausgewertet, dann kommt die nächste Runde mit noch mehr Kommunikation.«
»Welche Rolle hatte Tobias?«
»Er war Russland.«
»England, Deutschland, Ãsterreich, Türkei«, sagte Ralf.
»Wie bitte?« Wenn wir von Dominanz zu einem Länderquartett gewechselt hatten, hatte ich das
nicht mitbekommen.
»Das sind die möglichen Feinde Russlands zu Beginn des
Spiels.«
Nina sagte: »Ralf, bitte bring ihn nicht auf Ideen.«
Aber es war zu spät. Ich hatte längst Ideen. Und zwar
ganz viele.
Zu mir sagte Nina: »Markus, das ist nur ein Spiel.«
Simon sagte: »Na ja. Das ist zwar ein Spiel, aber nicht irgendeins.«
»Wie meinst du das?«
»Die Partie, in der Tobias gespielt hat, ist das Halbfinale
der Deutschen Meisterschaft.«
»Es gibt eine Deutsche Meisterschaft?«, fragte Ralf entgeistert.
»Ich zeig es dir«, sagte Simon. Mit zwei Klicks waren wir
auf der Startseite. Simon zeigte uns einen groÃen Artikel mit Analysen zum
aktuellen Stand der Partie. »Es gibt auch eine Weltmeisterschaft.«
»Irre«, sagte Ralf, aber ich hatte den Verdacht, dass er
die Tatsache meinte, dass er davon nichts wusste, und nicht, dass es so etwas überhaupt
gab.
Ich entdeckte ein weiteres Highlight der Seite. Ich
starrte darauf, aber Ralf kam mir zuvor.
»Es gibt sogar eine Liga. Eine Dominanz -Liga.« Dann fügte er hinzu: »Einfach irre.«
»Fehlen nur noch die Profispieler. Ralf, das könnte dein
Weg hier raus sein«, schlug ich vor.
Aber er beachtete mich nicht. Die Seite hatte ihn in
ihren Bann gezogen.
»Können wir die Partie von Tobias anschauen?«
»Sicher.« Simon rief die Seite auf. Erneut erschien die Europakarte.
Ich versuchte gar nicht erst, die Lage zu verstehen, sondern schaute auf die
linke Seite, wo eine Auflistung der Spieler zu sehen war. Hinter dem Namen
Tobias Maier waren eine gelbe und eine rote Karte zu sehen. Er war vom Spiel ausgeschlossen
worden.
»Er spielt nicht mehr mit«, sagte ich.
»Er hat keine Züge abgegeben. Das hätte er Sonntagabend
bis 23:59 Uhr machen müssen.«
Da war er schon tot gewesen. »Und wer das vergisst, der
wird ausgeschlossen?«
»Nee, so einfach geht das nicht«, sagte Simon. Er wurde
von einem tiefen Grummeln unterbrochen, das von seinem Magen kam. Ich schaute
flüchtig auf die Uhr, dann gleich erschrocken noch einmal. Es war schon 12:35
Uhr und wir saÃen immer noch hier. Höchste Zeit zum Essen. Plötzlich war das
Spiel vergessen und wir hatten es sehr eilig.
Ich hatte vor, zur Besprechung pünktlich zu erscheinen,
weil es nicht opportun war, den Leiter des Morddezernats und den Staatsanwalt
und die restliche Mordkommission warten zu lassen. Erst recht nicht, wenn Egon
pünktlich war und die Zeit nutzte, um sich laut an alle Gelegenheiten zu
erinnern, zu denen ich jemals unpünktlich gewesen war, und daran, was für
andere Verfehlungen ich sonst schuldhaft begangen hatte.
Ralf blieb vor dem Computer sitzen, während Simon, Nina
und ich in die Kantine flogen. Zwei
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