Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
Vom Netzwerk:
sieben Spieler und jeder der Spieler
übernimmt die Herrschaft über eine Großmacht.«

    Â»Und dann? Wird der Krieg erklärt?«, fragte ich mit Blick
auf die Truppenaufmärsche auf der Karte.

    Â»Nicht direkt. Siehst du hier die Felder mit den Quadraten
drin?«

    Â»Ja.« Die waren mir vorher nicht aufgefallen. Es gab
einige Länder, die farbige Quadrate aufwiesen. Die Farben passten zu den Farben
der Soldaten und Schiffe und ich vermutete, dass sie den Besitzer des Feldes
anzeigten.

    Â»Das sind die Nachschubbasen. Wer eine besitzt, kann dafür
eine Infanterie oder ein Kriegsschiff aufbauen. Es gibt auf der Karte
zweiundvierzig Nachschubbasen. Das Ziel des Spiels ist es, zweiundzwanzig davon
zu besitzen, also mehr als die Hälfte. Das ist die Vorherrschaft über Europa.«

    Â»Dominanz«, meinte Nina.

    Â»Ganz recht«, bestätigte Ralf.

    Â»Ein Spiel für kleine Generäle«, meinte ich. »Wie Risiko. « Auf keinen Fall wie Cluedo.

    Ralf widersprach mir. »Nein, das ist nicht wie Risiko. Bei Risiko wird gewürfelt. Es geht um Glück. Bei Risiko kann es auch passieren, dass ein Spieler schnell so viele
Truppen hat, dass er ganz alleine das Spiel dominiert.«

    Â»Und das ist hier anders?«

    Â»Ganz anders. Es geht um Diplomatie. Mehr wie bei Machiavelli.
Alle Herrscher verhandeln miteinander. Offen oder geheim. Sie treffen
Vereinbarungen. Absprachen, einen anderen anzugreifen. Dann werden die Befehle
für die eigenen Truppen geheim abgegeben und gemeinsam ausgewertet.«

    Ich sagte: »Aber das verstehe ich nicht. Geheime Absprachen
kann man doch nicht kontrollieren. Das lädt doch zum Schummeln ein.«

    Ralf grinste. »Bei diesem Spiel kann man nicht schummeln.
Das Besondere bei Dominanz ist, dass
keine Absprache bindend ist.«

    Ich brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten. »Du
meinst, es geht darum, die anderen reinzulegen?«

    Â»So könnte man es sagen.«

    Â»Das ist ziemlich sonderbar.«

    Â»Es ist unkonventionell.«

    Ich fragte mich, ob unkonventionell das richtige Wort
war. »Befremdlich«, schlug ich vor.

    Â»Exzentrisch«, meinte Ralf. »Aber es kommt ja auch aus
England.«

    Ich sagte: »Nur damit ich das richtig verstehe. Nehmen
wir mal an, wir vier hier spielen dieses Spiel. Dominanz. Ich sage zu dir: ›Ralf, lass uns reden.‹ Ich schlage dir
vor, wir greifen Nina an. Du sagst Ja, wir sind uns einig. Dann gehst du zu
Nina und vereinbarst mit ihr, dass ihr beide mich angreift. Nina vereinbart mit
Simon, dich anzugreifen, in Wirklichkeit greifen aber Simon und ich Nina an.«

    Das Grinsen auf Ralfs Gesicht verbreiterte sich. Ich
hatte das Spielkonzept distanziert schildern und lächerlich machen wollen. Doch
Ralf sagte: »Ja, so könnte es laufen.«

    Hoffnungslos. Sicherlich war das einer der Momente, für
die die Toleranz erfunden worden war. »Wir treffen uns, um uns anzulügen?«

    Â»In gewisser Weise.«

    Â»Ich lüge dich an, du lügst mich an und hinterher gehen
wir ein Bierchen trinken?«

    Â»So ist es gedacht.«

    Ich schüttelte den Kopf, weil ich es nicht verstand. Vielleicht
wurde ich bei der Arbeit und auch sonst einfach schon zu viel angelogen, um
auch nur ansatzweise die Reize dieses Spiels zu verstehen. »Und du spielst das?«

    Â»Viel zu selten«, sagte Ralf mit einem Seufzen. »Es ist
schwierig, Mitspieler zu finden, die es nicht persönlich nehmen, wenn sie plötzlich
ein Messer im Rücken haben.«

    Diese Formulierung elektrisierte mich. Ich saß von einer
Sekunde auf die andere kerzengerade auf meinem Stuhl. »Was hast du gesagt?«

    Ralf schaute mich stirnrunzelnd an. »Es ist schwierig, Mitspieler
zu finden.«

    Â»Nein, das andere. Mit dem Messer.«

    Â»Die nicht beleidigt sind, wenn sie ein Messer im Rücken
haben.«

    Meine Gedanken überschlugen sich. Mutmaßungen,
Schlussfolgerungen und Vermutungen breiteten sich knisternd in meinem Kopf aus.
Konnte das eine neue Spur sein oder sogar die Lösung in diesem Fall? Wenn
Tobias bei diesem Spiel mitgemacht hatte, hatte ein anderer Spieler eine seiner
Aktionen persönlich und das Messer im Rücken wörtlich genommen?

    Ich spürte Ninas Hand auf meinem Arm, die mich zurück ins
Präsidium holte. Ich wunderte mich, dass sie bei der Berührung keinen
elektrischen Schlag bekam. »Markus, das war nur eine

Weitere Kostenlose Bücher