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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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ziehen und seine Länder unter
uns aufteilen. Zwei für mich, zwei für Dich, und wenn der Italiener mitmacht,
bekommt er auch eins. Was meinst Du?

    Viele Grüße

    Tobias

    Â 
    Das war nicht mehr das Niveau eines Landesparteitags
der SPD, das war Weltpolitik. Und obwohl ich glauben wollte, dass es nur ein
Spiel war, beschlich mich der Verdacht, dass die Verhandlungen bei diesem Spiel
ein genaueres Spiegelbild der Realität darstellten, als irgendjemandem lieb
sein konnte. Zwei für mich, zwei für dich; war das etwas, was man hören konnte,
wenn man den Diktator einer Bananenrepublik belauschte?

    Ich verfolgte die weiteren Verhandlungen auf dem Ausdruck.
Sie waren zügig und erfolgreich verlaufen. Auch Italien war einbezogen worden.
Der Pakt gegen den Sultan wurde mit einem feierlichen ›So sei es‹ aus Russland
besiegelt.

    Das Erstaunlichste war aber, was Tobias parallel an den
Sultan schrieb:

    Â 
    Geschätzter Elias, hochverehrter Sultan des Osmanischen
Reiches,

    ich freue mich über unser gutes Einvernehmen und die
hervorragenden Fortschritte unserer osmanischen Waffenbrüder auf dem Balkan.
Meine Admirale melden mir, dass unsere Koordination im Schwarzen Meer
vorzüglich verlaufen ist. Ich bin geneigt, eine Wiederholung dieses Manövers
vorzuschlagen, verbindet es doch in einzigartiger Weise Partnerschaft mit
Sicherheit. Zum Wohle unser beider Völker schlage ich außerdem vor, dass wir
einen gemeinsamen Plan entwerfen, den Balkan unter unsere Kontrolle zu bringen.
Ohne Zweifel sind die balkanischen Provinzen bis nach Wien und Venedig unter
unserer Verwaltung weit besser aufgehoben als unter der dilettantischen Führung
Österreichs. Ich habe mir erlaubt, meine fähigsten Generäle mit der
Ausarbeitung diesbezüglicher Vorschläge zu beauftragen.

    Mit den ergebensten Grüßen

    Tobias, Zar von Russland

    Â 
    Tobias verhandelte mit der Türkei, Österreich zu
überfallen. Und er verhandelte mit Österreich, die Türkei zu überfallen.
Während ich überlegte, ob das eine Spezialität von Tobias war oder ob alle
Spieler so vorgingen, kam ich zu dem Schluss, dass ich für diesen Abend genug
gelesen hatte. Ich würde mich noch einmal an Ralf wenden müssen.

    Inzwischen war es einundzwanzig Uhr und ich war noch weit
davon entfernt, müde zu sein. Mir schwirrte der Kopf von Angriffsplänen und
geheimen Verabredungen. An Schlaf brauchte ich nicht zu denken, solange sich
dieser Zustand nicht änderte.

    Ich tat das, was ich seit meinem Einzug in das Haus immer
getan hatte, wenn mir die innere Ruhe fehlte. Ich beschloss, etwas zu arbeiten.
Nicht mit meinem Kopf an dem Fall, sondern mit meinen Händen an meinem Haus.
Das Wohnzimmer lag direkt neben der Küche. Ich ordnete meine Unterlagen und
ging hinüber. Der Raum war mit sechs mal vier Metern recht groß, dafür hatte
ich allerdings auch eine Wand herausbrechen müssen. Das Ergebnis war ein schön
geschnittenes Zimmer mit einem Panoramafenster und einer Tür zur Terrasse.

    Der Raum war zwar noch nicht fertig, aber nicht mehr weit
davon entfernt. Die Wände warteten auf die Tapeten, der Boden auf das Parkett
und die Decke auf die Holzpaneele. Über die geschickteste Reihenfolge der
Arbeitsschritte gab es in der Fachwelt unterschiedliche Meinungen. Ich hatte
die Unterkonstruktionslatten für die Holzdecke bereits an der Decke befestigt.
Die Holzpaneele waren relativ kurz, sodass ich sie allein gut würde anbringen
können. Aber vor den Paneelen würde ich tapezieren und auch streichen.

    Ich ging in meinen Abstellraum, holte den Tapeziertisch
und mischte Kleister für vierzig Quadratmeter Wandfläche an. Zwei Wände sollte
ich ohne größere Hektik noch schaffen, bevor ich ins Bett ging. Während die
ersten Lagen der Tapete im Licht der beiden Stehlampen einweichten, kehrten
meine Gedanken zum Spiel zurück. Ich fand es immer noch bizarr und es fiel mir
schwer, mich in diese Welt hineinzudenken. Vielleicht lag es daran, dass hier
in meinem künftigen Wohnzimmer, allein mit meinen Tapeten, die Gefahr einer
Intrige gegen mich recht gering war. Erst als ich die zweite Bahn mit meiner
Bürste glatt strich, kam mir eine Idee, was hinter Tobias’ Vorgehen stecken
könnte. Verhandelte man mit zweien gleichzeitig, behielt man alle Optionen. Man
wählt dann den als Partner aus, der kooperativer ist oder von dem man sich

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