Gegen jede Regel
deshalb, weil Tobias ihn
reingelegt hat, sondern weil er von ihm auch eine E-Mail gefälscht hat.«
Jetzt kamen wir der Sache näher. Ich betrachtete aufmerksam
einen Ausdruck, den Simon uns austeilte.
Â
Lieber Martin,
ich kann Deine Ansprüche auf Athen absolut nicht gutheiÃen.
Athen ist von jeher eine osmanische Stadt und wird es auch bleiben. Solltest Du
Athen angreifen und meiner rechtmäÃigen Herrschaft zu entziehen versuchen,
werde ich mit allen verfügbaren Truppen auf österreichisches Gebiet vorrücken
und auÃerdem meine Kontakte nach Rom, Berlin und St. Petersburg einsetzen, um
den Untergang des österreichischen Staates herbeizuführen.
Elias, Sultan
Â
Ninas Augenbrauen gerieten in Aufruhr. »Das ist
nicht besonders diplomatisch«, meinte sie.
»Aber eine klare Ansage«, sagte ich. Geradezu wohltuend
geradlinig für meinen Geschmack.
»Und nicht echt«, sagte Simon. »Tobias hat diese E-Mail
geschrieben.«
»Und warum sollte er das tun?«, fragte ich, hob aber
gleich die Hand. »Warte, ich komme selbst darauf. Er schreibt seinem Nachbarn Ãsterreich
eine gefälschte E-Mail, damit der nicht auf die Idee kommt, sich mit der Türkei
anzufreunden. Auf diese Weise will er verhindern, dass die beiden sich zusammenschlieÃen
und ihn angreifen.«
Ralf nickte beifällig. »Langsam hast du es raus.«
Er meinte das als Kompliment, aber ich war mir nicht sicher,
ob ich es so verstehen wollte. »Hast du die ganzen Unterlagen für uns?«
Simon reichte mir einen Stapel mit Ausdrucken. Ich war
erleichtert, weil er recht dünn war. Meine Erleichterung relativierte sich, als
ich hörte, was Simon dort alles hineingepackt hatte. »Das sind Ausdrucke aller
E-Mails, die Tobias in dieser Partie geschrieben hat. Die gefälschte E-Mail ist
dabei und Ausdrucke aller Befehle der ersten beiden Züge und der Karten mit der
Lage. AuÃerdem die kompletten Spielregeln, die Turnierregeln und die speziellen
Regularien für die Deutsche Meisterschaft. Und die Profile aller Spieler der
Partie.«
»Der Abend ist gerettet«, sagte ich. Und ich fürchtete,
das war nicht nur ein Spruch.
»Ich weià doch, was ich einem Freund schuldig bin«,
meinte Simon.
»Bekomme ich auch so etwas?«, fragte Nina.
Simon reichte ihr einen USB-Speicherstick. »Du kennst
meine Vorlieben«, sagte Nina zu Simon.
»Immer zu Diensten.«
Â
Weil mein Arbeitszimmer und mein Wohnzimmer sich
noch in verschiedenen Phasen der Planung befanden, legte ich den Stapel Papier
auf dem Küchentisch ab. Es war gerade erst zwanzig Uhr und damit noch relativ
früh dafür, dass es der zweite Tag einer Mordermittlung war. Trotz aller
Befragungen und neuer Erkenntnisse hatte ich nicht das Gefühl, dass wir dem
Täter näher gekommen waren.
Ich setzte einen Tee auf und schmierte mir zwei Brötchen
mit Wurst und Käse, die ich auf dem Heimweg an der Tankstelle besorgt hatte.
Ich machte es mir am Tisch bequem und begann, die Papiere durchzugehen, während
ich meine Brötchen aà und meinen Tee trank. Das alles alleine auf dem Papier
anzuschauen erleichterte mir den Zugang. Ich erlaubte mir, die vertieften
Betrachtungen und Beispiele über âºreboundâ¹, Unterstützungsbefehle und generelle
Rückzugsklauseln von der Webseite des Spiels zu überblättern, und widmete mich
den E-Mails von Tobias.
Vor dem ersten Zug hatte er mit jedem seiner Mitspieler
Kontakt aufgenommen und einige freundliche E-Mails ausgetauscht. Tobias war
höflich, charmant und entgegenkommend. Manche schrieben geschwollen und
altertümlich, andere kurz, knapp und geradeheraus. Jeder hatte mit ihm gerne
eine Abmachung getroffen. Mit den Spielern von Frankreich und Italien hatte er
Abkommen zum Informationsaustausch geschlossen, mit allen anderen eine Vereinbarung
über zukünftige Grenzen erzielt.
Vor der ersten Runde hatte Tobias noch keine Anstalten
gemacht, eine Intrige gegen einen anderen einzufädeln. Das hatte sich nach der
ersten Auswertung geändert. Ich nahm mir seine E-Mail an Ãsterreich vor:
Â
Lieber Martin,
nach dieser Eröffnung könnten wir doch nun gemeinsame Ziele
verfolgen. Die Ausgangslage ist hervorragend. Unsere Vereinbarungen haben gehalten
und es sieht danach aus, dass Italien auf Deiner Seite ist. Ich schlage vor,
dass wir gleich im nächsten Jahr gegen den Sultan
Weitere Kostenlose Bücher