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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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einen Ausdruck zur Hand. »Tobias
hat das Spiel wenig offensiv begonnen und einige Züge eingebaut, um zentrale Felder
zu sichern. Das betrifft hier Siebenbürgen und das Schwarze Meer.«

    Â»Die sind wichtig?«, fragte Nina.

    Â»Die sind für Russland, Österreich und die Türkei Schlüsselfelder.
Wer diese Felder besitzt, kann den anderen wirkungsvoll angreifen. Deshalb
werden sie häufig zu Beginn frei gehalten. Beide Spieler ziehen hinein, die
Truppen prallen praktisch voneinander ab und im Resultat bleiben die Felder
frei.«

    Â»Aha«, sagte ich. Ich war Polizist und kein Feldherr, versuchte
aber trotzdem tapfer, dem Geschehen zu folgen.

    Â»Gab es denn beim ersten Zug etwas, womit Tobias seine
Mitspieler verärgert haben könnte?«, fragte Nina.

    Ralf schüttelte den Kopf. »Nein, er hat sich ganz an alle
Absprachen gehalten.«

    Â»Wie weit ist die Partie denn inzwischen überhaupt?«

    Â»Es gibt pro Jahr zwei Züge«, erklärte Ralf. »Weil Gentlemen
nur im Frühjahr und im Herbst zu Felde ziehen. Die Partie pausiert im Moment
immer noch 1914, nach dem zweiten Zug, dem Herbstzug.«

    Das überraschte mich. War es überhaupt möglich, so
schnell einen anderen gegen sich aufzubringen, dass der bereit war, zum Messer
zu greifen?

    Â»Was heißt das, sie pausiert?«

    Â»Es fehlt ein Spieler«, sagte Simon. »Das heißt, eigentlich
fehlt keiner mehr. Tobias hätte am Sonntag seine Züge abgeben müssen. Er hat
diesen Termin versäumt. Daher ist er ausgeschlossen worden. Es wurde ein
Ersatzspieler gesucht und auch sofort einer gefunden. Der nächste Termin für
die Zugabgabe ist am Donnerstag.«

    Â»Jemand anders spielt jetzt Russland?«

    Â»Ja, und damit er sich auch ein wenig in das Spiel einfinden
kann, hat er bis Donnerstag Zeit, seine Verhandlungen zu führen. Alle anderen
haben dies ja schon erledigt und ihre Züge abgegeben.«

    Â»Und hat Tobias im zweiten Zug etwas getan, was einen
seiner Mitspieler gegen ihn hätte aufbringen können?«

    Â»Ja. Eindeutig ja. Im Spiel hat er die Türkei reingelegt.
Mit einem klassischen Manöver, aber es hat funktioniert.«

    Â»Noch einen anderen?«

    Â»Nein, nur die Türkei. Elias Grams. Ich erkläre es dir.«
Ralf begann mit der Erklärung, aber ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Was ich
allerdings verstand, war, dass Tobias seinen Mitspieler nach allen Regeln der
Kunst hinters Licht geführt hatte.

    Â»Er gab das Schwarze Meer frei, um durch eine überraschende
Truppenbewegung und einen Flottenaufbau dort eine Übermacht herzustellen«,
beendete Ralf seine Erklärung.

    Ralf stellte die Figuren entsprechend. Tatsächlich erkannte
ich den Beginn einer Umfassung des türkischen Gebiets. »Aber dagegen kann die
Türkei sich doch wehren.«

    Â»Hätte Grams tun können, wenn er ein Kriegsschiff im
Norden aufgebaut hätte. Er hat aber eins im Süden platziert. Er rechnete nicht
damit, dass das Feld im Norden frei werden würde, und hat für dort keinen
Aufbaubefehl gegeben. Er ist ganz klassisch reingefallen.«

    Â»Und jetzt? Wie geht es weiter?«

    Ralf grinste. »Das ist alles Verhandlungssache. Der russische
Angriff ist sehr stark. Aber es geht um Diplomatie. Es ist kein Spiel für
Generäle. Durch Verhandlungen ist alles möglich.«

    Ich schaute auf den Spielplan und versetzte mich in den
Spieler der Türkei. »Österreich«, sagte ich.

    Â»Genau, die Türkei wird beim Österreicher dafür werben,
dass er Russland angreift.«

    Â»Wird der Österreicher das machen?«

    Â»Schwer zu sagen«, meinte Ralf. »Er könnte es. Er hat
sehr stark angefangen und Athen erobert. Außerdem gehört ihm Belgrad. Er hat
zweimal neue Infanterie aufgebaut. Es sieht so aus, als würde Italien ihn nicht
bedrohen. Er könnte deshalb durchaus Russland angreifen und der Türkei helfen.«

    Â»Aber diese Verhandlungen kennen wir nicht.«

    Â»Nein, wir haben nur die E-Mails von Tobias.«

    Ich schaute auf das Spielbrett und versuchte, mir einen
Reim darauf zu machen. Das Prinzip war mir seltsam vertraut, aber in einem
Gesellschaftsspiel so fremd, dass ich immer noch meine Schwierigkeiten hatte.

    Ich sagte: »Wenn wir also bei einem Mitspieler ein Motiv
ableiten können, dann bei dem Spieler der Türkei?«

    Â»Ja«, sagte Simon. »Nicht nur

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