Gegen jede Regel
deshalb eine gemeinsame Sitzung unserer Admiralstäbe
an, um unnötigen Irritationen im Schwarzen Meer vorzubeugen. Ich habe mir
bereits erlaubt, meinen Geheimdienst anzuweisen, mir alle Informationen, die
uns über die österreichischen und italienischen Pläne zukommen sollten,
unverzüglich vorzulegen, damit ich sie an Euch weiterleiten kann.
Mit den ergebensten GrüÃen
Tobias, Zar von Russland
Â
Ich las den Text ein zweites Mal und spähte verstohlen
nach Ninas Reaktion.
Sie grinste nur. »Ein Spiel für Jungs«, sagte sie.
»So kann man das sehen«, sagte ich. »Schreiben die denn
alle so?«
»Mit Italien und Deutschland hat er ganz normal kommuniziert.«
Wieder ein Ausdruck:
Â
Lieber Marcel,
ich glaube, ein Konflikt zwischen Deutschland und Russland
ist weder in Deinem noch in meinem Interesse. Ich schlage vor, wir richten eine
entmilitarisierte Zone ein, damit wir uns unseren jeweils anderen Nachbarn
widmen können.
Viele GrüÃe
Tobias
Â
Das war eher das, was ich unter einer E-Mail
verstand. Zumindest von den Formulierungen her. »Was heiÃt das, âºentmilitarisierte
Zone�«
Ralf deutete auf die Karte. »Es gibt zu Beginn jeder
Partie zwei typische Konfliktherde. Einer befindet sich zwischen England,
Frankreich und Deutschland. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sich zwei von
ihnen zusammenschlieÃen und den dritten angreifen. Der andere Konfliktherd
liegt um den Balkan herum zwischen Russland, Ãsterreich und der Türkei. Hier
gilt dasselbe. Zwei von ihnen werden sich gegen den dritten verbünden.
Klassischerweise hat Ãsterreich sehr schlechte Karten, zumal wenn sich Italien
auch noch gegen es stellt.«
Das leuchtete mir ein. »Tobias macht also dem Deutschen â¦Â«
»Marcel Blumberg.«
»⦠ein pragmatisches Angebot.«
»Genau. Für beide bringt es nichts, wenn sie gegeneinander
ziehen. Wenn sie klare Grenzen vereinbaren und Frieden halten, profitieren
beide. Was Tobias angeboten hat, ist auch ein Klassiker. Es wird vereinbart,
dass ein Streifen von der Ostsee über Königsberg bis Breslau entmilitarisiert
wird. Keiner der beiden darf dort hineinziehen. Eine Art Pufferzone.«
»Aber ⦠Absprachen sind doch nicht bindend?«, fragte ich.
»Richtig. Doch wenn einer der beiden die Vereinbarung
verletzt, ist das eine klare Kriegserklärung. Durch die Pufferzone gibt es eine
Vorwarnzeit.«
»Beide halten sich also den Rücken frei.«
»Genau. Beide können sich den Konflikten widmen, die am
Anfang entscheidend für ihr Ãberleben sind. Wir können uns einmal anschauen, wie
die Züge ausgesehen haben.«
Ralf verschob Infanterie und Kriegsschiffe auf dem Spielbrett.
Ich merkte, dass mich bereits diese wenigen Minuten angestrengt hatten. Und
dabei hatten wir erst den einfachen Teil der Regeln, einen Bruchteil der
E-Mails und den allerersten Zug der Partie angeschaut. Auf einmal schien es mir
gar nicht mehr so schlecht, dass Ralf uns alles erklärte. Nicht weil ich
glaubte, alles oder auch nur das meiste verstehen zu können, sondern weil ich
ihn später jederzeit wieder fragen konnte, wenn ich etwas nicht verstand.
Ich schaute erneut auf das Spielbrett, wo Ralf mit seinem
generalstabsmäÃigen Verschieben der Truppen fertig war. Ich sah die Bewegung,
aber ich versuchte gar nicht erst, sie selbst zu interpretieren.
Ralf begann damit. »Manchmal kann man schon an den ersten
Zügen erkennen, wer gegen wen spielt. Manchmal ist das aber auch nur ein
Täuschungsmanöver. Und manchmal bleibt nach dem ersten Zug auch alles unklar.«
Weil mir nicht klar war, wo bei diesem Statement die Aussage
lag, wartete ich weiter. Ralf beugte sich über das Spielbrett. »Frankreich hat
sehr offensiv begonnen. Seine Züge scheinen England zu bedrohen. Die deutschen
Züge ebenfalls.« Ralf deutete auf einige Soldaten und Kriegsschiffe, die sich
tatsächlich Richtung England bewegten. »Das ist nicht unüblich«, meinte Ralf. »Deutschland
und Frankreich können relativ lange zusammenspielen, ohne in Konflikte zu
geraten.«
»Dann haben die das vereinbart«, sagte Nina. »Und der
Deutsche kann sich nach Westen wenden, weil er eine Vereinbarung mit Russland
hat.«
Ralf nickte. »Ja, genau. Ein guter Start für Deutschland.
Schauen wir uns mal die russischen Züge an.« Er nahm
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