Gegen jede Regel
uns, dass die
Spurensicherung fleiÃig das Haus durchkämmte, das Zimmer des Jungen aber
unberührt war. Wir erfuhren, dass immer noch keine Einbruchspuren gefunden
worden waren. Drei Kollegen begleiteten uns, als wir die Zimmertür öffneten.
Tobiasâ Zimmer lag im Halbdunkeln und wurde, auch nachdem
Nina das Licht eingeschaltet hatte, nur in den matten Schimmer zweier schwacher
Energiesparlampen getaucht. Die Kollegen von der Spurensicherung schwärmten aus
und widmeten sich der Einrichtung. Elen marschierte zum Bücherregal, Oliver
nahm sich das Bett vor und Simon kümmerte sich um den Schreibtisch. Die drei
gingen routiniert vor und würden gute Arbeit leisten. Für mich war nur wichtig,
den Raum zu sehen, bevor er durchsucht und umgekrempelt würde. Auf diese Weise
konnten wir das Zimmer unverfälscht auf uns wirken lassen, ganz so wie es auch
auf Tobias gewirkt hatte. Und das konnte uns eine Menge über ihn verraten.
Der erste Eindruck vom Raum wurde von Schwarz und
Heavy-Metal-Bunt bestimmt. Einige Poster erinnerten mich an Iron Maiden zu
meiner Zeit, aber auf allen waren Bands zu sehen, die ich nicht kannte. Sie
posierten mit Masken, Ãxten und Kettensägen, was teilweise lächerlich, teilweise
aber auch beängstigend wirkte.
Es war ein ungewöhnlich groÃes Zimmer und Tobias verfügte
über ein paar Einrichtungsgegenstände, die ich in seinem Alter nicht in meinem
Zimmer gehabt hatte. Dazu gehörte ein Billardtisch. Ich hatte schon Tische mit
grünem und blauem Filz gesehen, aber dieser war mit schwarzem Filz bezogen. Die
Art und Weise, wie der Tisch platziert war, hatte etwas Feierliches, fast
Sakrales. Im Zwielicht der Beleuchtung schwebte er im Zentrum des Raumes wie
ein Altar.
Faszinierte ging ich um den Billardtisch herum. Die Kugeln
waren perfekt ausgerichtet und funkelten im Schein der Lampe, als erwarteten
sie den ersten StoÃ. Etwas an der weiÃen Kugel weckte meine Aufmerksamkeit. Ich
trat einen Schritt näher und beugte mich vor. Die Kugel war nicht weiÃ.
Zumindest nicht so weiÃ, wie sie hätte sein sollen. Mit einem behutsamen StoÃ
setzte ich sie in Bewegung, sodass sie eine halbe Umdrehung auf dem schwarzen
Filz vollführte. Schwarze Linien liefen über die Kugel und formten die Umrisse
eines elfenbeinfarbenen Gesichts. Ich winkte Nina heran. Sie beugte sich
ebenfalls vor.
»Das hättest du doch nicht verpassen wollen«, sagte ich.
Die Augen waren weit aufgerissen, der Mund in einem
stummen Schrei geöffnet. Ohne dass ich genau verstand warum, sandten diese
Linien auf der Billardkugel feine Nadelstiche über meinen Rücken. Sie stiegen
über meinen Nacken zu meinem Kopf und richteten meine Haare auf. Das Zimmer
hatte sicherlich genügend andere Dinge zu bieten, aber diese Kugel auf dem
schwarzen Billardtisch fesselte uns beide. Vielleicht lag es daran, dass sie
auf eine Art und Weise bizarr war, mit der wir nicht gerechnet hatten.
Nina sagte: »Das ist ⦠unkonventionell.«
Ich war unschlüssig, ob sich in der Kugel ein gelangweilter
Teenager offenbarte oder ein gestörter Geist, aber allein durch das Anstarren
der Kugel würden wir das nicht herausfinden. Ich riss mich widerstrebend von
dem Billardtisch-Altar los und setzte meinen Rundgang fort.
Tobias hatte ein französisches Bett. Es überraschte mich
nicht, dass die Bettwäsche schwarz war. Das Muster bestand aus gelbweiÃen
Totenschädeln. »Ganz reizend«, murmelte ich.
Oliver hatte einen flachen Karton unter dem Bett hervorgezogen.
Zumindest bei der Wahl dieses Verstecks war Tobias ganz und gar konventionell.
Oliver kramte in der Kiste herum, aber der Inhalt war wenig überraschend. Der
Kollege hielt die Hefte hoch und schwenkte sie zu Simon, der an Tobiasâ Schreibtisch
stand.
»Schau mal«, sagte Oliver.
Simon drehte sich um, dann hielt er uns ebenfalls ein
paar Hefte entgegen. »Da kann ich mithalten«, sagte er grinsend.
Ich hob die Augenbrauen. Oliver hatte die klassischen Schönheiten
aus Playboy und Penthouse, Simon einige spezialisierte Magazine für Brüste und
schwarze Frauen.
»Recht vielseitig«, meinte ich.
»Alles vollkommen harmlos«, sagte Oliver.
Nina stand bei Simon am Schreibtisch und schaute ihm über
die Schulter, als er eine der Schubladen durchsuchte. »Hier sind auch noch ein
paar passende DVDs.«
Ich ging zum Schreibtisch hinüber
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