Gegen Vaters Willen
Ryan forderte seine Freundin auf, von der Leiter zu kommen. Dann stieg er selbst hinauf und befestigte mit Hilfe von Leons geübtem Blick die Tannengirlande.
„Kann ich wieder runter?”, fragte er anschließend.
„Nein, die muss doch noch geschmückt werden”, rief Michelle entsetzt.
Ryan schaute ungläubig nach unten. „Und womit? Mit Eishockeyspielern? Ich finde, die würden sich hier oben gut machen. Ein paar bekommen eine rote Nase und ein Geweih, die anderen eine Weihnachtsmütze.”
Leon fing an zu lachen, wurde aber von Murphy und Anderson beiseite geschubst.
„Spuck nicht so große Töne, McCoy, oder sollen wir dich da runterholen?”
Leon schwieg, während Ryan nur die Augenbrauen hob. „Geh weiter, dein Anblick ist ja erschreckend, so am frühen Montagmorgen”, knurrte er, was Leon erneut zum Lachen brachte.
Ben Murphy drehte sich mit bösem Blick zu ihm um.
„Was willst du, Murphy? Du solltest wirklich weitergehen. Als wir uns das letzte Mal gegenüber standen, lagst du danach auf dem Boden, denk dran”, erinnerte Leon den stämmigen Eishockeyspieler und warf ihm einen provokanten Blick zu.
Ben wollte sich vor seinen Freunden nicht einschüchtern lassen, also trat er dichter auf ihn zu. „Lass es uns noch einmal ausprobieren!”
„Ja? Gern! Wenn du dich vor deinen Kumpels blamieren willst, fang an!” Leon blieb einfach ruhig stehen, musterte sein Gegenüber aufmerksam und wartete.
Ryan, dem bei der Sache gar nicht geheuer war, trat langsam, Stufe für Stufe, hinunter.
„Bleib da, Ryan! Mit dem Weichei werde ich auch allein fertig!”, rief Leon, dem die Reaktion seines Freundes nicht entgangen war. Zum einen war er überzeugt von dem, was er gesagt hatte, und andererseits war er der Meinung, dass diesem ein blaues Auge völlig reichte.
Ryan verharrte auf der Leiter und schaute zwischen Leon und Ben hin und her, bereit, hinunter zu springen, sollte es nötig sein.
Plötzlich holte Ben aus, doch Leon duckte sich und drückte Ben mit einer Hand an den Schrank. Seine Finger schlossen sich fest um Bens Hals, der ihn erschrocken anstarrte. „Gib es auf. Ich bin eine Nummer zu groß für dich”, knurrte Leon.
Ben schlug seine Hand weg, gerade als Rektor Lewis sich durch die Schülermassen drängte. „Was ist hier los?”, fragte er. „Mr. Blake, gibt es ein Problem?”
„Kein Problem, Sir”, lächelte Leon, den Blick weiter auf Ben gerichtet, der zur Seite trat, Leon zornig ansah und mit seinen Freunden weiterging.
Als der Rektor sich mit einem nicht wirklich überzeugten Ausdruck in den Augen entfernt hatte, lächelte Ryan ihn vergnügt an.
Die anwesenden Freunde, die das Spektakel verfolgt hatten, jubelten Leon zu, beglückwünschten ihn zu der Tat, doch der winkte mit einer lässigen Handbewegung ab und fragte Ryan, ob der langsam mal fertig war.
„Wenn Mic mir jetzt mal den Schmuck gibt, ja.”
Michelle und Leon reichten ihm Weihnachtskugeln, Lametta und andere Dekoration, dann durfte er wieder runter.
Da er eine Freistunde und Michelle sich freiwillig zum Schmücken gemeldet hatte, ging Leon allein zum Unterricht.
Die nächsten zwei Wochen gingen schnell vorbei. Es schneite unaufhörlich und Mountain Creek verwandelte sich in eine weiße Schneelandschaft. Auf dem Schulhof mussten sie regelmäßig Schneebällen ausweichen und um ein Haar wäre Michelle ziemlich böse weggerutscht, hätte Leon sie nicht aufgefangen.
„Mann, Junge, was hast du für Reflexe?”, platzte Ryan heraus.
„Ich weiß nicht. Die waren schon immer recht gut”, sagte er und spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg.
Die letzten zwei Wochen hatten sie mehr als angenehm über die Runden gebracht. Keine Flirts, keine Sticheleien und keine Möglichkeit für eventuelle Annäherungen. Ryan hielt sich an sein Versprechen, obwohl es ihm mehr als schwer fiel. Seine Sehnsucht wurde von Tag zu Tag größer. Oft ertappte er sich dabei, wie er Leon beobachtete, jede kleine Bewegung, jeden Laut regelrecht in sich aufsaugte. Sie verstanden sich beinahe so gut, wie früher, doch es war das Lockere, was ihnen fehlte. Sie waren bei weitem nicht mehr so ungezwungen, da jeder für sich darauf achtete, dem anderen nicht zu nahe zu kommen.
Am vorletzten Schultag vor den Ferien saßen sie mit Michelle in der Cafeteria.
„Ach, Mensch. Ich hätte es fast schon wieder vergessen. Meine Mum hat euch beide am ersten Weihnachtsfeiertag zum Mittag eingeladen. Also wenn ihr Lust habt … wir würden es aber auch
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