Gegen Vaters Willen
er in der Tat ein Naturtalent, denn es dauerte nicht lange und er ritt allein über die Koppeln. Nicht schnell, wie er es nannte, aber allein und mächtig stolz auf sich selbst.
Die Arbeit auf der Farm nahm ab, so dass Ryan sich nun öfter davonstehlen konnte, was er auch ausgiebig nutzte. Klar, dass dies nicht ohne Folgen blieb. Die Streitereien im Haus McCoy nahmen zu und wurden genauso stürmisch wie das Wetter.
Ryan konnte seinen Frust nur selten unterdrücken. Als er wieder einmal mit einem ziemlich lädierten Gesicht in der Schule auftauchte, konnte Kilian Anderson, ein Schüler seines Jahrgangs und Spieler der Schulmannschaft, seine äußerst provozierenden Kommentare nicht zurückhalten und es kam zu einer ziemlich üblen Prügelei. Angefeuert von den anderen Schülern lagen die beiden Jungs ringend am Boden der Cafeteria, als Leon mit Lauren und Michelle eintrafen.
„Oh Scheiße!” Leon drängte einige Jungen beiseite und zog Charlie mit sich. Er bekam Ryan am Kragen zu packen und hielt ihn fest, während der weiter tobend um sich schlug. Charlie und Robin hielten Kilian zurück.
„Du bist so ein Freak, McCoy!”, brüllte der Eishockeyspieler und spuckte abfällig vor Ryan auf den Boden.
„Lieber ein Freak als so ein saudummes, dämliches Arschloch wie du!”, keifte Ryan zurück und versuchte Leon von sich weg zu schubsen.
„Hey, hör auf jetzt!”, mischte der sich ein und zerrte Ryan aus der Cafeteria. „McCoy! Lass es!”
Vor der Tür zur Caféteria starrte Ryan ihn wutentbrannt an, riss sich los und lief den Flur hinunter. Schweratmend blieb Leon zurück, als Michelle neben ihm auftauchte.
„Ich sag’s dir, nur um eure Freundschaft nicht zu gefährden, aber das war ein Fehler!”
„Was war ein Fehler?”
„Ihn da rauszuholen.”
Ungläubig starrte Leon das Mädchen an. „Ich habe nicht zugesehen, wie er verprügelt wird, und das wird er mir jetzt vorhalten?”
„Ja, du hast … wie soll ich sagen, sein Ego verletzt. Er trägt so was lieber aus, als sich helfen zu lassen. In seinen Augen hat er jetzt verloren”, versuchte sie zu erklären, was sie meinte.
Leon konnte nicht glauben, was er da hörte. Wütend und kopfschüttelnd ließ er Michelle stehen und lief zum Klassenraum für Informatik. Gerade rechtzeitig zum Stundenbeginn ließ er sich auf seinen Platz fallen.
Ryan war nicht da.
„Wo ist Ryan?” Mr. Jones schaute fragend zu Leon, der nur die Schultern zuckte.
Zehn Minuten zu spät, noch immer ziemlich außer Atem, tauchte Ryan auf, würdigte Leon keines Blickes und erledigte schweigend seine Aufgaben.
„Geht’s dir gut?”, fragte Leon schließlich, denn Ryan sah ziemlich lädiert aus.
Der schwieg weiter, starrte unentwegt auf seinen Monitor und machte sich nebenbei Notizen.
„Wie kann man nur so stur sein? Gott, du bist …” Leon schnappte nach Luft, stand auf und ging auf die andere Seite des Raumes, um mit Dakota CDs einzusortieren. Seine Hände zitterten, so wütend war er. Gut, sollte Ryan doch seinen Ego-Machtkampf das nächste Mal austragen, wenn er so blöd war. Kurz vor Ende der Stunde konnte sich Leon dennoch einen Kommentar nicht verkneifen.
„Weißt du, McCoy, da wo ich herkomme, ist Prügeln total uncool. Anscheinend sind Amerikaner da etwas anders, aber das ist kein Grund mich jetzt zu ignorieren. Bis morgen!” Er nahm seinen Rucksack, warf seine Bücher und Stifte hinein, ohne Ryan, der konsequent schwieg, weiter zu beachten.
Zu Hause warf er sich auf sein Bett und überlegte. Er wusste, dass Ryans Vater am Nachmittag unterwegs war, also sollte er vielleicht zu ihm gehen und noch mal versuchen mit ihm zu reden. Aber warum? Er hatte doch nichts falsch gemacht. Hatte er es nötig, Ryan hinterher zu rennen? Er beschloss, abzuwarten, ob der andere auf ihn zugehen würde.
Drei Tage schwiegen sie sich an. Drei Tage, in denen Leon allein war, denn Michelle hielt zu Ryan, auch wenn sie eigentlich auf Leons Seite stand, doch Ryan wäre nur unnötig sauer auf sie, würde sie sich jetzt mit Leon unterhalten. Erst in ihrem Spanischkurs hatten sie Gelegenheit dazu.
„Wie kann ein einzelner Mensch so stur sein?”, regte sich Leon leise auf.
„Erinnerst du dich, was ich am Anfang über Ryan gesagt habe? Er ist schwierig, doch wenn man weiß, wie man ihn nehmen muss, kommt man super mit ihm klar”, antwortete Michelle eben so leise und schrieb gleichzeitig die Anweisungen von der Tafel an.
„Das heißt, alles tanzt nach seiner Pfeife, nur damit
Weitere Kostenlose Bücher