Gegen Vaters Willen
seines Körpers schien den Dienst quittiert zu haben. Er hatte das Licht ausgemacht, versuchte seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und doch fiel ihm immer wieder ein, wie glücklich er heute Morgen gewesen war, als er an Maggie vorbei, aus dem Haus gestürmt war. Und jetzt? Er fühlte sich traurig, verwirrt und wütend. Er hatte nicht verstanden, warum Leon so reagiert hatte. Er verstand es jetzt immer noch nicht. Er spürte, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen und widerstand dem Drang, sich auf sein Mountainbike zu setzen, loszufahren und das zu tun, was Leon heute so vorbildlich gemeistert hatte. Seinen Kopf leeren, auf eine Art und Weise, die berauschend und gefährlich zugleich war. Doch er wusste, dass er heute draufgehen würde. Er hätte keine Chance, den Absprung zu schaffen.
„Ryan?” Seine Mutter klopfte an die Tür. Kurz zögerte er, dann forderte er sie auf, hereinzukommen.
Die Tür ging auf und er wurde vom Flurlicht geblendet. Leise bat er sie, die Deckenlampe im Zimmer nicht anzuschalten.
Eileen nickte, betrat das Zimmer und setzte sich auf die Bettkante.
„Was ist los?”, fragte sie leise.
„Nichts. Alles okay”, gab Ryan zurück und wandte sich vom Fenster ab, um sie anzusehen.
„Du weißt, dass ich dir das nicht glaube, und du selbst glaubst es auch nicht”, lächelte sie.
„Ja, mag sein. Aber ich weiß nicht, wie ich darüber reden könnte, also lass ich es einfach. Ist eh sinnlos.”
Seine Mutter schaute ihn ernst an. „Nichts ist sinnlos, Ryan.”
Das Zimmer lag im Halbdunkeln. Die Lichter, die den Hof beleuchteten, warfen tiefe Schatten auf die Wände.
Ryan sah seine Mutter lächeln, als sie nach seinem Snoopy griff.
„Es geht um ihn, nicht wahr?”, murmelte sie, ohne den Blick von dem Tier zu nehmen. Als Ryan schwieg, hob sie den Kopf und sah ihn an, während sie weitersprach.
„Ich habe gleich erkannt, was zwischen euch ist, als ihr das erste Mal gemeinsam vor mir gestanden habt. Erinnerst du dich? Es war im Haus der Blakes.”
„Ja, nach meinem Unfall.” Ryan nahm ihr Snoopy aus der Hand und drückte ihn an seine Brust. Er setzte sich auf sein Bett, lehnte sich an die Wand, während seine Mutter aufstand und begann, wie unter Zwang im dunklen Zimmer aufzuräumen.
„Mum, warum tun sich die Menschen selbst weh? Warum erkennen sie nicht, was gut für sie ist?”, fragte Ryan leise in den dämmrigen Raum hinein.
„Menschen sind eine ziemlich dumme Gattung, Ryan”, erwiderte Eileen, hob ein Sweatshirt vom Boden auf, faltete es und legte es auf den Stuhl, über dessen Lehne seine Jacke hing.
Ryan lachte nur leise zustimmend.
„Weißt du, es gibt viele Momente, in denen sie nicht erkennen, was das Richtige für sie ist. So ist es bei allen Menschen. Aber du sprichst von Leon, also sollten wir ihn auch beim Namen nennen. Was ist passiert?”, fragte sie und setzte sich neben ihren Sohn auf die Bettkante.
Ryan zögerte einen Moment. „Wir ... ähm … also, wir haben uns gestern geküsst”, sagte er so leise, dass Eileen es trotz der Nähe kaum verstanden hatte. Sie lächelte milde und Ryan konnte spüren, dass ihr Blick auf ihm ruhte.
„Gut, und nun?”
„Er war heute nicht in der Schule. Er meinte, er fühle sich nicht wohl, doch das war nur eine Ausrede. Ich bin zu ihm gefahren, und ... naja, ich dachte, ich hätte ihm klar gemacht, dass mich die Meinung anderer nicht interessiert, dass ich mich einfach wohl fühle, wenn er bei mir ist. Wir haben … also, naja, wir haben auf seinem Bett gelegen und haben uns wieder geküsst.” Ein wenig verlegen wandte er das Gesicht seiner Mutter zu und zuckte heftig zusammen, als sie ihre nächste Frage stellte:
„Habt ihr miteinander geschlafen?”
Ryan riss die Augen auf. „Nein!”, rief er laut. „Sorry … ähm, nein. Wir haben uns nur geküsst. Ich meine, was heißt nur ? Es war unglaublich. Mum, es war nicht mein erster Kuss, das ist klar. Aber es war mit Abstand der schönste. Ich war richtig glücklich, als ich zur Schule zurückgefahren bin. Die letzten Wochen waren ziemlich nervenaufreibend, weil ich die ganze Zeit auf ihn zugehen wollte und es einfach nicht geschafft habe, über meinen Schatten zu springen. Als … als er mich gestern geküsst hat, hatte ich das Gefühl, in mir wäre etwas explodiert, verstehst du?”
Seine Mutter lächelte ihn liebevoll an. „Ja, das verstehe ich. Ryan, du bist schlicht verliebt!”
Ryan war froh, dass es immer dunkler im Zimmer geworden war,
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