Gegen Vaters Willen
Ryan den Kopf.
„Wie geht’s dir?”, fragte er leise.
Leon sah ihn an, zuckte unschlüssig mit den Schultern und seufzte. „Ich weiß es nicht. Ich hatte irgendwie gedacht, dir wehgetan zu haben, doch so sicher bin ich mir da jetzt nicht mehr.”
„Hast du nicht. Klar, als du meintest, dass sich nichts geändert hätte, war ich nicht unbedingt der glücklichste Mensch der Welt, aber du hast mir nicht wehgetan. Du warst nur ehrlich.”
„Ryan, ich kann dir nicht erklären, was ihn mir vorgeht.”
„Versuch es.”
Leon atmete tief durch, stocherte mit einen Stock in der Erde herum und überlegte. „Zum einen fühl ich mich ziemlich schlecht, weil etwas passiert ist, was ich nicht wollte. Es ist einfach nicht richtig. Zum anderen kann ich an nichts anderes denken. Es war sehr schön. Ich bin irgendwie hin und her gerissen. Ich weiß nicht”, wiederholte er die Worte, die in den letzten Tagen zu einer Art Markenzeichen geworden zu sein schienen.
„Leon, ich hab Zeit. Ich weiß nicht, wie viel … doch ich habe Zeit. Ich kann warten, und wenn es dich erneut überkommt, weißt du, wo du mich findest.” Ryan sah Leon liebevoll an.
Dieser senkte den Kopf und flüsterte:„Das ist nicht gut. Ryan, sag so was nicht!”
Ryan hockte sich vor ihn, schob langsam seine Hände über Leons Beine und blickte ihm lächelnd in die Augen. „Ich hab Zeit”, sagte er leise, dann küsste er ihn.
So überraschend, dass Leon nicht einmal daran dachte, zurück zu weichen. Er schob seine Hand in Ryans Nacken, erwiderte den Kuss gierig, dann schob er ihn von sich. „Hör auf damit”, sagte er flehend.
Ryan lächelte, nickte aber. „Okay. Tut mir leid.” Wobei die letzten Worte ganz klar nicht der Wahrheit entsprachen, und das wussten sie beide.
Sie standen auf und fuhren zurück. Bis zum Mittagessen kümmerten sie sich nun um die Pferde, striegelten und fütterten sie. Ryan hatte seine Box wieder aufs Fensterbrett gestellt und laut dröhnte die Musik über den Hof.
„Ach, was ich dich fragen wollte …”, sagte Leon plötzlich. „Was, zum Geier, war das für Musik letzte Nacht?”
Ryan lachte auf. „Das ist Panflötenmusik. Schau mich nicht so skeptisch an. Das ist besser als dein Jazzzeug!”
„Jazz ist tausendmal besser!”
„Gar nicht! Zumal, es Dinge gibt, die man bei Panflötenmusik besser machen kann als beim Jazz”, grinste Ryan anzüglich.
Leon warf ihm provozierend die Bürste entgegen, die er gerade in der Hand hielt.
Zum Mittag gab es nur eine Kleinigkeit, da sie ja abends richtig essen würden. Als Leon in die Küche kam, lief ihm buchstäblich das Wasser im Mund zusammen. Neugierig schaute er durch die Glasscheibe in den Backofen. „Snoopy?”
„Ja?”
„Ist das Ding bei euch rumgeflattert?”
„Ja, vor zwei Tagen flatterte es … nein warte … Truthähne flattern nicht wirklich. Die sind nur elend laut und fies”, sagte Ryan trocken.
„Fies?” Leon setzte sich an den Tisch und begann, die Würstchen und Spiegeleier zu essen, die Eileen ihnen hingestellt hatte.
„Ja, ich komm mit allen Tieren gut klar, aber ich glaube, Federvieh mag mich prinzipiell nicht. Die hacken mir ständig ins Bein.”
Leon und Eileen lachten.
„Dein Vater würde jetzt sagen, du bist eben mit dem Füttern zu langsam”, lächelte Eileen.
„Ja, das sagt mir einer, der es sich so ziemlich mit jedem Pferd auf diesem Hof verscherzt hat.” Ryan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, worauf Leon ihn fragend ansah.
„Naja, Dad ist nicht unbedingt der freundlichste Mensch, auch zu den Tieren nicht. Das ist für ihn eben nur Nutzvieh. Es hat zu fressen und zu arbeiten. Dass dieses Nutzvieh Gefühle hat, lernt er einfach nicht. Vor allem einige Pferde. Die nehmen schon Reißaus, wenn sie ihn von weitem sehen. Deswegen fährt der auch mit dem Auto überall hin. Er kann nicht sehr gut reiten.”
„Verstehe. Da hast du deinem Vater was voraus”, sagte Leon und schob seinen leeren Teller von sich.
„Ja schon, weil ich mir Gedanken darum mache, ob es den Tieren gut geht. Ein unnutzer Zeitvertreib, wie mein Vater meint. Was soll’s”, zuckte Ryan mit den Achseln.
Leon musterte seinen Freund und wieder einmal wurde ihm klar, wie viel Gefühl in diesem Jungen steckte, der vor anderen immer den Unnahbaren mimte.
Die beiden standen auf und machten sich wieder an die Arbeit. Um halb drei fuhr der Wagen der Blakes auf den Hof. Leon schaute auf und lächelte. Das musste ein tolles Bild für seine Eltern
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