Gegengift: Europa stiehlt euch die Zukunft. Wie ihr euch wehrt. (German Edition)
je nach Qualität und Dauer der Kundenbeziehungen 900.000 Euro ein möglicher Kaufpreis. Mit etwas Verhandlungsgeschick lassen sich 900.000 Euro auf 300.000 Euro sofort und zehn Jahresraten zu 60.000 Euro aufteilen. Bei der Anzahlung habt ihr den Vorteil, dass Banken die Übernahme eines existierenden Geschäftsbetriebes eher finanzieren als eine Neugründung. Begleicht ihr die Anzahlung mittels Kredit und den Rest in Form von Raten oder einer Leibrente, könnt ihr unter Umständen fast den gesamten Kaufpreis aus dem Unternehmen selbst erwirtschaften.
Die Anzahlungen liegen oft deutlich unter 50.000 Euro. Manchmal reichen 10.000 oder 20.000. Ich kenne einen Jungunternehmer, der einen heruntergewirtschafteten Hersteller von Musikanlagen übernommen hat. Er zahlte als Kaufpreis überhaupt nur einen symbolischen Betrag und übernahm dafür die Schulden. Nur wenn er die Firma wieder tief in die Gewinnzone führen kann, zahlt er einen Bonus.
Drittens. Eine Nachfolge hat oft Potenzial nach oben. Sobald ihr eure Firma mit sicherer Hand lenkt und die wichtigsten unternehmerischen Erfahrungen gesammelt habt, könnt ihr an Expansion denken. Die Werkstatt, zu der ich meine Autos mit Kratzern bringe, war einst ein Schnäppchen an einer Nachfolgebörse. Der Nachfolger setzte auf den hohen urbanen Bedarf an kleinen Lackkorrekturen. Inzwischen betreibt er acht Filialen und hat sich angesichts der wachsenden Konkurrenz durch Ketten wie Chipsaway auf Qualität für Luxusautos spezialisiert. Die Firma ist mittlerweile rund das Zwanzigfache dessen wert, was er selbst dafür bezahlt hat.
Es gibt zwei Arten, eine Firma zu kaufen.
Erstens. Der Share Deal . Dabei kauft ihr die juristische Person mit allen dazugehörigen Vermögenswerten, Verbindlichkeiten und Haftungen. Eine strenge Prüfung der Firma mit einem Steuerberater und einem Wirtschaftsanwalt ist hier besonders wichtig. Denn Verkäufer einer Firma ticken genau wie Autoverkäufer. Sie putzen das Unternehmen heraus, und wenn gleichsam die Bodenplatte rostig ist, machen sie euch nicht extra darauf aufmerksam. Ein Baumeister, der seine Firma verkauft, verschweigt euch vielleicht, dass er bei einer Reihenhaussiedlung gepfuscht hat. Wenn dort eine Decke einstürzt und Mieter verletzt werden, haftet nicht mehr er, sondern ihr für die Kosten der Sanierung, das Schmerzensgeld und die Beschaffung einer Ersatzbehausung.
Ich hatte einmal einen Fall, bei dem der Alteigentümer seine Geliebte in der Firma angestellt und bezahlt hatte, obwohl sie dort nie arbeitete. Im Rosenkrieg vor seiner Scheidung zeigte ihn seine Ehefrau dafür bei der Finanz an. Das Finanzamt akzeptierte das Gehalt der Geliebten nicht mehr als Firmenausgabe und verlangte eine hohe Summe zurück. Zahlen musste nicht der untreue Ehemann, der inzwischen im Ausland lebte, sondern sein Nachfolger in der Firma, der von der Sache gar nichts gewusst hatte.
In einem professionellen Kaufvertrag gewährleistet der Verkäufer zwar, dass alle Bilanzen korrekt sind, keine Rechtsstreitigkeiten bestehen und alle Steuern und Abgaben ordnungsgemäß bezahlt wurden. Doch das bietet keine hundertprozentige Sicherheit. Im Ernstfall haftet zuerst ihr für die Probleme und könnt euch hinterher beim Verkäufer schadlos halten. Im genannten Fall hätte der Käufer versuchen können, den Verkäufer vor ein ausländisches Gericht zu bringen, aber der Mann hatte inzwischen sein Vermögen schon verprasst. Außer Ärger und weiteren Kosten wäre nichts dabei herausgekommen.
Zweitens. Der Asset Deal . Dabei kauft ihr nicht die ganze Gesellschaft, sondern nur den laufenden Geschäftsbetrieb. Das heißt, ihr gründet eure eigene Gesellschaft und bringt den Kundenstamm, das Inventar und etwa den Markennamen der übernommenen Firma dort ein. Alle Forderungen und Schulden der Firma bleiben mit gewissen Ausnahmen bei der ursprünglichen Gesellschaft und damit beim Verkäufer. Der Asset Deal ist deshalb die beliebtere Variante. Er birgt weniger Risiko. Die Gefahr, dass ihr als Jungunternehmer unwissentlich mit Leichen im Keller startet, ist damit stark reduziert.
Aufpassen müsst ihr trotzdem. Etwa, wenn ihr Mietverträge übernehmt. Oft steht eine Klausel darin, der zufolge der Hauseigentümer die Miete beim Verkauf des Geschäftes an das marktübliche Niveau anpassen darf. Eine Modeboutique etwa ist bei fünf oder sechs Euro Miete pro Quadratmeter vielleicht noch eine Cashcow, aber schon bei zwanzig oder dreißig Euro ein Pleitefall. Ebenso kann
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