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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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am nächsten Nachmittag pünktlich um zehn vor fünf vorgefahren.
    »Wie war's beim Golf?«, fragte er, als ich zu ihm ins Auto stieg.
    »Wie immer«, sagte ich. »Nur dieser unfreundliche Topmanager trifft noch weniger Bälle als ich. Das liegt daran, dass er denkt, auch tote Gegenstände müssten tun, was er sagt. Was meinst du, wie vielen Bällen er schon fristlos gekündigt hat!«
    Anton lachte.
    »Dafür glänze ich in der Theorie. Ich konnte heute allen den Unterschied zwischen losen hinderlichen Naturstoffen und Hemmnissen erklären, sowie den Unterschied zwischen darf, kann, sollte, muss und darf nicht. Wo fahren wir hin?«
    »Das ist ja die Überraschung!«, sagte Anton.
    »Sie muss aber hier in der Nähe sein. Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, muss ich Nelly alle Staffeln von Greys Anatomyauf DVD kaufen. Ich finde, das ist noch nichts für eine Vierzehnjährige.«
    »Wegen der promiskuitiven Arzte?«
    »Wegen der ekligen Körperinnenansichten«, sagte ich und sah mich um. »Eigentlich müsste Sex in einem Jaguar doch recht luxuriös sein.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Anton.
    »Mit wem hast du es ausprobiert?«
    »Mit ... niemandem.«
    Ich lächelte Anton dankbar an. Er lächelte zurück. »Fahren wir in eine Autowaschanlage?«
    »Nein, wir sind schon da.«
    »Wir sind aber immer noch in der Insektensiedlung.«
    »Nein, nicht mehr ganz. Diese Straße heißt Heinrich-Larder-Weg.«
    »Aha, die korrupte-Politiker-Siedlung.«
    »Heinrich Larder war ein evangelischer Theologe, soviel ich weiß«, sagte Anton und parkte auf dem Seitenstreifen.
    »Hier? Bist du verrückt? Hier kann wirklich jeder ins Auto gucken!«
    »Erstens haben wir getönte Scheiben, und zweitens steigen wir jetzt aus.«
    »Wie du willst«, sagte ich und öffnete die Autotür. »Du weißt aber schon, dass ich kein Höschen unter diesem Rock trage ?«
    »Ehrlich nicht?« Anton guckte mich zweifelnd an. »Du hast doch nicht wirklich geglaubt, ich wolle dich mit einer schnellen Nummer im Auto überraschen?«
    Doch.
    »Natürlich nicht«, sagte ich und stieg aus. »Und natürlich habe ich auch ein Höschen an! Was denkst du denn von mir?«
    »Meine Überraschung ist viel toller und viel weniger primitiv.«
    Anton nahm meine Hand und ging auf ein schmiedeeisernes Gartentor zu, das zu einem weißen Haus mit vielen Fenstern und Solarzellen auf dem Dach gehörte.
    Die Frau, die vor dem Haus stand und uns lächelnd entgegensah, kam mir bekannt vor. Es war Frau Hittler aus dem Kindergarten.
    »Da wären wir also«, sagte Anton und schüttelte Frau Hittler die Hand.
    »Wie schön, dass Sie pünktlich sind«, sagte Frau Hittler und schüttelte auch mir die Hand. Wenn sie mich wiedererkannte, so ließ sie es sich nicht anmerken. »Haben Sie die Doppelgarage gesehen?«
    »Ja«, sagte Anton. »Sehr schön.«
    Ich war ehrlich verwirrt. In Gedanken war ich so sehr auf Sex eingestellt gewesen, dass ich jetzt für den Bruchteil einer Sekunde in Erwägung zog, Anton habe Frau Hittler für einen flotten Dreier dazu gebeten. Aber das war natürlich absolut ausgeschlossen. Hoffte ich doch. Nur warum wir ausgerechnet Frau Hittler besuchten, wenn wir mal eine Stunde für uns hatten, blieb mir ein Rätsel. Ich sah Anton fragend an, aber er lächelte nur geheimnisvoll.
    Frau Hittler schloss die Haustür auf. Vermietete sie ihre Zimmer vielleicht stundenweise?
    »Hier können Sie gleich den großzügigen Eingangsbereich bewundern. Repräsentativ und schlicht zugleich«, sagte Frau Hittler. »Sehr geschmackvolle Bodenintarsien. Und sehen Sie nur die wunderbare Treppe.«
    Meine Güte, Bescheidenheit zählte wohl nicht gerade zu ihren herausragenden Charaktereigenschaften. Ich meine, es war ja in Ordnung, wenn man stolz auf sein Zuhause war, aber eine solche Angeberei war ja nicht auszuhalten.
    Anton strahlte mich an. »Na, was sagst du?«
    Da alles von dem, was ich sagen wollte, Frau Hittler beleidigt hätte, sagte ich nichts.
    »Sehr klug gelöst ist die Garderobenfrage«, fuhr Frau Hittler fort und öffnete eine Tür. »Sehen Sie? Hier passen nicht nur Mäntel und Jacken hinein, hier ist auch Platz für einen Schuhschrank und - was ich persönlich ja ganz wichtig finde - die Schulranzen! «
    »Das ist toll«, sagte Anton. »Hast du das Treppengeländer gesehen, Constanze? Wie geschaffen, um darauf herunterzurutschen.«
    Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, klappte ihn aber wieder zu, weil ich mir nicht sicher war, ob das, was ich sagen wollte, passend

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