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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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ich.«
    »Im ersten Stock ist ein Zimmer frei, wenn Sie wollen.«
    Wir drangen in die düsteren Flure des Hotels vor. An den schmutzigrosa bespannten Wänden hingen funzelige Leuchten, die meisten Türen standen offen, und Frauen in Arbeitskitteln wechselten Bettwäsche, zogen Vorhänge auf und putzten weißgekachelte Bäder. Wir betraten ein großes Zimmer, das aufs Meer hinausging. Auch an den Wänden war das Meer, absurderweise versuchten Sonntagsmaler, etwas vom ihm zu fassen zu kriegen, indem sie es erstarren ließen. Die Kellnerin half mir noch, Justine aufs Bett zu legen, bevor sie verschwand. Ich schlug vor, einen Arzt zu rufen, doch Justine wollte nichts davon wissen, es würde vorbeigehen, meinte sie, sie müsse nur ein wenig schlafen. Ich ging ins Bad, um ein Glas Wasser zu holen. Ich machte mir das Gesicht nass, der Typ im Spiegel, der mich ansah, sein schwerer Körper und sein graumelierter Bart, sein dickliches Gesicht und die Schatten unter seinen zu wässrigen Augen, das war nicht ich, das war ich ohne Sarah, und für mich stand fest, ich ohne Sarah, das hatte noch nie viel bedeutet. Als ich zurückkam, war Justine unter die Decke geschlüpft, ihr Kleid lag zum Trocknen über der Heizung. Ich setzte mich zu ihr, hielte ihr den Kopf und gab ihr zu trinken. Das Schlucken fiel ihr schwer, man hätte meinen können, das Wasser brannte ihr in der Kehle. Als das Glas leer war, nahm sie meine Hand und zog mich wortlos aufs Bett. Ich legte mich neben sie, trotz meiner Klamotten spürte ich ihren zierlichen Körper, die unfreiwillige Liebkosung ihrer Haut. Sie suchte Schutz in meinen Armen. Das Zimmer war ruhig, die Doppelfenster dämpften das Brausen des Meeres, verwandelten es in ein Autobahnsummen. Justine redete mit ferner Stimme, die Wörter gingen ineinander über, spulten sich ab wie ein langer Faden ohne Anfang und Ende. Ich zog sie an mich, und sie verstummte. Nach kurzer Zeit wurde ihr Atem ruhig und regelmäßig. Er war weit weg, tief und in die Schwere des Schlafs gesunken. Ich stand auf, um die Vorhänge zuzuziehen, draußen hatte es zu regnen angefangen, es goss diagonal und geräuschlos, der bloße Sand nahm alles auf, und sein kräftiges Gelb forderte den finsteren Himmel heraus. Es war kalt, ich holte eine zweite Decke aus dem Schrank. Mit einem kindlichen Grunzen mummte sie sich in die Wolle ein und rollte sich zusammen. Aus dem Bad rief ich Alex an, die Zeit verging, und ich würde die nächste Stunde absagen müssen. Er wurde stinksauer und begriff nichts von dem, was ich ihm erzählte.
    »Verdammt, Alex, dem Mädchen ging’s schlecht, das ist alles, ich wollte sie nicht allein lassen …«
    »Wenn’s ihr so schlecht ging, hätte man sie ins Krankenhaus bringen müssen …«
    Ich legte auf und kehrte ins Zimmer zurück, Justine schnarchte leise. Ich setzte mich in den Sessel und bewachte eine Weile ihren Schlaf, mit einer Hand hielt ich den Vorhang auf, um das Hin und Her der Spaziergänger in ihren Aigle-Jacken, Cabans, Kapuzen, die Veränderungen des Lichts und des Morgenhimmels zu beobachten. Ich ließ sie schlafen, ihr Gesicht war glatt und ausgeruht, blass wie das eines traurigen Kindes. Ich bezahlte das Zimmer. Die Kellnerin an der Rezeption war besorgt. Aber ich hatte das Gefühl, dass es ihr hauptsächlich um den Laden zu tun war. Ich sagte ihr, es sei jetzt alles in Ordnung, man solle Justine nur nicht stören, sie brauche Ruhe.

Etwa zwanzig Eltern drängten sich vor der Schule. Durch die Hecke vor den Kindern verborgen, stand er da, groß, mager, zweimal gefaltet wie das einfachste Origami, und kaute an seinen Fingern. Ich hatte ihn schon früher am Tag, während einer Fahrstunde, gesehen, es war in einer anderen Straße, aber da versteckte er sich auch schon, ein Busch und ein Strommast gewährten ihm diskreten Schutz. Mein Schüler hatte drei Anläufe gebraucht, um zu wenden, es war ein pickliger Jüngling, nicht sehr aufgeweckt, Computerfan, einer von der schüchternen und verschlossenen Sorte, empfindlich und verklemmt, von den Jungs verspottet und von den Mädchen übersehen. Wir waren eine Zeitlang stehen geblieben, ich hatte in aller Ruhe die üblichen Banalitäten von mir gegeben, wir quatschten über Vorfahrtsregeln und Geschwindigkeitsbeschränkung bei Regen, im Rückspiegel sah der Große winzig aus und verrenkte den Hals, um nach den Fenstern eines weißen, von Bäumen umstandenen Hauses zu spähen.
    Die ersten Kinder erschienen, ein Gemurmel lief durch die Menge

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