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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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Opfern.
    Nadine und ich schauten nach den Jungs, in ihren Umhängetaschen wimmelte es von tintenschwarzen Samtkrabben, wir standen dumm da mit unseren drei Venusmuscheln, zwei Abalonen und einer Auster. Bevor wir noch ein Wort gesagt hatten, machten sie uns Zeichen zu schweigen: Sie beobachteten seit fünf Minuten einen Taschenkrebs und gaben die Hoffnung nicht auf, ihn aus seinem Versteck zu locken. Es schien mir wenig wahrscheinlich, dass allein unsere Stimmen das Tier vertreiben könnten, aber wir entfernten uns trotzdem, mit Alex war nicht zu spaßen, wenn es ums Fischen und Muschelsammeln ging, er hatte eine ganze Menge blitzender Utensilien am Gürtel, deren Funktion ich nicht kannte, als wir Kinder waren, ging ich am liebsten einfach nur mit hochgekrempelter Hose durchs Wasser und tauchte mein Gesicht hinein, ohne die Augen zuzumachen, ich mochte es, diese Farben in mich aufzunehmen. Alex kam mit vollen Taschen heim und schimpfte immer, wenn ich mich daraufstürzte und alles aufaß.
    »Erst die Fischer«, sagte er, und mein Vater stimmte zu.
    Der setzte nie einen Fuß ins Wasser, sondern verbrachte seine Sonntage auf einem Felsen am Ende des Strands von Le Val, er zog die Wolfsbarsche an wie ein Magnet. Manchmal brachte er vier oder fünf nach Hause und gab den Nachbarn davon ab, griesgrämigen Leuten, die keinen Fisch mochten, es ihm aber nicht zu sagen wagten, einmal fand ich vor ihrem Haus einen aufgerissenen Plastiksack, mitten im Abfall lag ein silbriger Kadaver, die Möwen hatten sich über ihn hergemacht, Blut tropfte von den Resten der Flossen, und von den Augen waren nur noch die Löcher da.
    Wir begannen wieder im weichen, schlickigen Sand zu graben, Manon sah uns zu. Sie hatte aufgehört, die Krabben zu ärgern, ihr Kescher lag in einiger Entfernung. Sie saß mitten in den Miesmuscheln und tauchte ihre Hand nachlässig in eine Lache eisigen Wassers, streichelte manchmal eine Alge oder eine Anemone. Ohne es zu merken, gerieten wir immer weiter hinaus. Nadine hatte ihren Rock bis über die Schenkel hochgerafft, selbst durch die Jeans zwickte mich das kalte Wasser in Knöchel und Waden, Knie und Oberschenkel. Wir bissen die Zähne zusammen und gingen immer parallel zum Strand, den Blick auf die Pointe de la Varde gerichtet. Nadine wirkte glücklich, frierend pfiff sie ein dümmliches Lied. Bisweilen ließ ein leichter Windhauch um uns herum die Wasseroberfläche zittern. Ein Hund schnitt uns den Weg ab, er schwamm mit fröhlich hochgereckter Schnauze, seine Ohren hingen zu beiden Seiten ins Wasser. Nadines Beine waren knallrot, meine nur noch zwei steife, gefühllose Eisstöcke. Wir machten kehrt. Zuerst spürte ich meine Schenkel wieder, dann meine Waden, die Füße würden noch ein oder zwei Stunden brauchen. Ein paar Meter vor uns hatte Manon begonnen, eine Burg zu bauen. Ohne Eimer und Förmchen wurde es eher ein Berg. Muscheln und Holzstücke bildeten Wälder und Felsmassive.
    »Ich weiß, es geht mich nichts an, aber …«
    Ich hatte es mir nicht überlegt. Die Worte kamen einfach aus meinem Mund, ich konnte nichts dagegen machen.
    »Alex gefällt mir nicht. Ich glaube, er kann nicht mehr …«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Natürlich, was denkst du denn. Mach, was du willst, mit wem du willst. Das geht mich nichts an. Aber Alex weiß Bescheid, das ändert alles, oder?«
    Nadine drehte sich zu mir um und schaute mir in die Augen. Etwas an ihr war mir unbegreiflich. Eine Gelassenheit, die schlecht zu der Situation passte. Alex und Clément wollten uns wild gestikulierend irgendetwas sagen. Wir winkten zurück, und sie machten sich wieder an die Arbeit. Nadine schüttelte den Kopf. Dann lächelte sie zärtlich.
    »Es ist nicht, was du glaubst, Paul. Es ist überhaupt nicht, was du glaubst. Alex hat nichts zu befürchten.«
    Mit diesen Worten ließ sie mich stehen und rannte mit schlenkernden Armen aufs Meer zu. Sie war keine zwanzig, ein junges Mädchen, das in die tiefstehende Sonne lief. Alex richtete sich triumphierend auf, in der rechten Hand hielt er einen riesigen Krebs, selbst auf hundert Meter Entfernung sah man ihn mit den Zangen fuchteln. Ich lief mit Manon zu ihnen, sie waren durchnässt, aber glücklich, Clément hielt das Tier in der Hand, und seine Schwester berührte mit dem Finger den Panzer. Man würde ihn nachher gleich kochen. Ich verließ die vier, sie würden noch eine Weile bleiben, und dann würden die Kleinen bei ihrem Onkel schlafen, das liebten sie. Was sie da fanden,

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