Geh auf Magenta - Roman
Drinnen.
– Also drinnen. In so einem Warteraum und ich reiß dir die Klamotten runter.
– Ich will’s im Keller haben.
– Auch gut. Im Leichenkeller. Und da erst reiß ich dir die Klamotten herunter. Du schreist wie verrückt und wehrst dich, aber das hat alles keinen Sinn, weil ich einfach tausendmal stärker bin als du, also no chance. Das tut richtig weh, oh Mann, richtig weh.
– Weiter.
– So, du bist fast bewusstlos vor Schmerzen, aber noch nicht ganz, auf jeden Fall finde ich dann irgendeine Axt oder so was in dem Keller –
– Was soll eine Axt in einer Klinik? Das ist blöd.
– Gut, dann liegen da überall diese Chirurgenmesser herum.
– Die liegen nicht herum. Du findest sie in einer Schublade.
– Genau. Ich nehme dann das längste von allen heraus und komme zurück. Du bist dermaßen blau geschlagen, dass du dich nicht mehr rühren kannst, keinen Zentimeter, keine Gegenwehr, nichts geht mehr. So, und dann schneide ich dir bei vollem Bewusstsein zuerst die Arme und die Beine ab und zuletzt den Kopf.
– Das ist grob. Du könntest mit den Fingern anfangen.
Er stockte. Das war vollkommen krank.
Sie schrieb: Die Finger.
– Mann, bist du krank.
– Was ist mit den Fingern?
– Schon gut. Also schneide ich dir zuerst alle Finger und Zehen ab und dann erst die Arme und Beine. So ungefähr?
– OK.
– Für den Kopf brauch ich natürlich ein Hackebeil, das finde ich auch in einer Schublade, zusammen mit einer Säge. Also, zuerst die Säge, dann das Hackebeil. Dann ist der Kopf ab.
– Gut.
– Irgendwo bei den Leichen finde ich dann auch einen blauen Plastiksack für den Kopf.
– Einen schwarzen.
– Einen schwarzen Plastiksack, da stopf ich dich dann rein, anschließend binde ich ihn oben zu.
– Mit meinem Haar.
– Exakt, das hab ich dir vorher vom Kopf gerissen. So, dann hab ich den Sack fertig und überlege, wohin damit. Am besten in den Müll oder in die Kanalisation.
– Du kannst ihn am Kirchturm hochziehen, zu den Glocken, ganz nach oben.
– Super Idee, der Sack als Glocke, genau, den Engeln am nächsten. Und ich singe ein Ave Maria.
– Von Schubert. Für einen Bauarbeiter nicht schlecht. Ich bleibe da oben hängen, ja?
– Für die nächsten hundert Jahre. Dann erst fällt der Kirchturm um. Abriss.
– Warum?
– Weil man darunter den Eingang zur Hölle freilegen muss. Die Kirche wurde genau dort gebaut, blöder Zufall. Ich meine, es hätte ja auch etwas anderes sein können. Auf jeden Fall muss die Kirche und der Turm abgerissen werden, damit die Menschen besser in die Hölle gelangen können.
– Und der Sack?
– Fällt direkt in die Hölle runter, genau ins Zentrum.
– Gut. Und die blöden Menschen fallen hinterher.
– So einfach ist das nicht, weil ja zuerst jeder über diesen schwarzen Fluss muss, weißt schon, der fließt aufwärts und ist voller Käfer.
Die Antwort dauerte jetzt einen Moment: Wie bei Dante. Gut. Weiter.
Er überlegte kurz, schrieb dann: Hat seinen Preis.
– Welchen?
– Wie heißt du wirklich?
– Schwester.
– Ich meine – wirklich.
– Leck mich. Geht’s jetzt weiter?
– OK. Was machst du, wenn du nicht gerade eine Leiche bist?
– Kann dir egal sein. Geht’s weiter?
– Weißt du, weshalb ich da eigentlich diese Steine schleppe, woran wir da bauen?
– Und?
– Eine Riesen-Schleuderbahn für tote Seelen. Diese Seelen müssen genau sechsmal durcheinandergeschleudert werden, sonst stimmt die Konsistenz nicht. Erst wenn’s so ein richtiger Seelenbrei geworden ist, ist es fertig.
– Für was?
– Na, für den Seelenozean, was sonst. Es gibt da so ein riesiges Abflussrohr, da rauscht der ganze Seelenbrei dann in das Auffangbecken; der Pegel steigt und steigt und irgendwann ist es ein Ozean, so weit du gucken kannst, nur Seelen.
– Und wo hört der Ozean auf?
– Am Land der Goldmenschen, die haben alle so einen Anzug aus echtem Gold an, OK? Weil jeder sich für so verdammt toll hält.
– Und die ersticken dran.
– Qualvoll, immer wieder neu, jeden Tag. Aber sie werden immer wieder in diesem Ding neu geboren, die absolute Hölle. Auf der anderen Seite ist das Spiegelland, das ist auch fies. Da besteht alles aus kleinen Bruchspiegeln, das Land, das Wasser, der Himmel, die Häuser, selbst die Leute. Und weil sich alles in allem spiegelt, weiß keiner mehr so richtig, dass er überhaupt da ist. Existent ist, meine ich.
– Logisch. Dann frisst sich alles gegenseitig auf.
– Genau.
– Und warum sind es
Weitere Kostenlose Bücher