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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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lägen ja Welten, erklärte sie, so ein Nigiri-Sushi sei das reine Gefühl, lieb und rein wie eine Wasserblume, das Maki hingegen sei der Geist, durchdringend und stolz, am besten, er nehme von beidem etwas, das gleiche einen so fabelhaft aus, sorge für eine innere Balance, das sei wichtig für sein kommendes Leben.
    Richtig, da war ja noch etwas – ein kommendes Leben , also etwas, das noch nicht da war, weg damit, und überhaupt: Diese Verkäuferin redete zu viel, die kontrollierte Dialogform war also besser:
    Bastien: Was meinen Sie damit – das kommende Leben?
    Fischverkäuferin: Nichts weiter. Jeder hat doch ein kommendes Leben, oder?
    Bastien: Natürlich hat das jeder.
    Fischverkäuferin: Sehen Sie. Also Nigiri oder Maki?
    Bastien: Sie sind so schön. Diese Fische, meine ich.
    Fischverkäuferin: Ja.
    Bastien: Aber sind sie auch frisch?
    Fischverkäuferin: Natürlich nicht. Nichts ist frisch hier.
    Bastien: Nichts?
    Fischverkäuferin: Nichts.
    Bastien: Dann sind sie bestimmt von gestern.
    Fischverkäuferin: Von vorgestern.
    Bastien: Interessant.
    (Pause)
    Bastien: Aber sie sind so schön.
    Fischverkäuferin: (…)
    Bastien: Wirklich schön. Man mag sie gar nicht anfassen oder durcheinanderbringen, Sie wissen schon, diese Ordnung zerstören. Eine wirklich wunderbare Ordnung, so präzise gerade, es erinnert mich an, ich weiß nicht, an –
    Fischverkäuferin: Was?
    Bastien: An eine Ordnung, ja, richtig, an eine Ordnung. Ein jedes Leben sollte doch solch eine Ordnung haben, meinen Sie nicht auch? Wie diese toten Fischlein hier, eins neben dem anderen, wie dafür gemacht. Was meinen Sie?
    Fischverkäuferin: (…)
    Bastien: Doch, doch, sagen Sie nichts, es ist so, wir brauchen alle unsere Ordnung, stellen Sie sich das doch einmal vor: eine Welt im Chaos, es herrscht die Anarchie, jeder gegen jeden, das Recht des dummen Stärkeren als einziges Gesetz, da kommt einer, nimmt Ihnen alles weg, Hof, Frau, Ihren Stolz und die Kinder, und Sie können nichts dagegen machen, das geht doch nicht! Ich sage Ihnen – wir brauchen eine richtige Ordnung. Oder?
    Fischverkäuferin: (…)
    Bastien: Diese Wegnehmer. Wir schlagen sie zu klump. Immer drauf. Oder?
    (Pause)
    Bastien (leise): Wir zerquetschen sie. Diese Milben.
    Fischverkäuferin: Fisch?
    (Sie will nach dem Fisch greifen)
    Bastien: Einen Moment, vielleicht warten Sie noch; es ist, ich weiß, es klingt komisch, aber – ich bin mir noch nicht sicher.
    Fischverkäuferin: Nicht?
    Bastien: Nein. Sie sind einfach so schön. Sehen Sie, es ist so: Gott kam und hat all diese Fische da so fein hingelegt, in sieben Tagen, vielleicht auch in drei Wochen, so genau nehmen wir das nicht; gut, also, er kam und hat einen Okoze an einen Mutsu gelegt und so weiter, sehen Sie genau hin, die Farben der Fische entsprechen dem Spektrum, die Komplementärfarben liegen sich exakt gegenüber, hier, das Magenta vor dem Grün, man könnte fast weinen, so schön ist es. Aber jetzt das Beste: Wenn Sie sich diese Linie mit den Fischen einfach als eine endlose vorstellen, also wirklich als eine, die niemals, wirklich niemals aufhört, dann passiert – was? Ich sage es Ihnen, sie reicht bis ins Universum, eine Achse der Schönheit, vielleicht strahlt sie bis Pluto, vielleicht aber darüber hinaus in das nächste Sternensystem, Centauri, Andromeda, und wie das alles heißt, noch weiter, bis zu den Orten, für die wir keine Namen haben.
    (Pause)
    Fischverkäuferin: Wollen Sie jetzt einen Fisch?
    Bastien: Ja. Ja, ich möchte einen Fisch! Haben Sie etwa daran gezweifelt?
    Fischverkäuferin: (…)
    Bastien: Sie haben mir nicht geantwortet.
    Fischverkäuferin: Was?
    Bastien: Nun, was Sie von dem Universum halten, all das.
    Fischverkäuferin: (…)
    Bastien: Sehen Sie? So geht es allen. Zu den wirklich wichtigen Dingen im Leben schweigen wir. Sagen Sie, darf ich etwas fragen?
    Fischverkäuferin: (…)
    Bastien: Diese Fische da, ich meine, so schön sie sind, aber wie macht man das, schneiden Sie sie selbst – so akkurat, im rechten Winkel? Das heißt, Sie legen den Fisch dahin, auf dieses Brett und schneiden ihn sorgsam zurecht, ein Stückchen nach dem anderen, nicht?
    Fischverkäuferin: Ja.
    Bastien: Wahnsinn.
    (Pause)
    Bastien: Aber Sie könnten das sicher auch mit anderen Dingen genauso machen, also nicht nur mit Fisch?
    Fischverkäuferin: (…)
    Bastien: Sagen Sie nichts, sagen Sie nichts! Natürlich könnten Sie das tun, was für eine Frage. Sie könnten zum Beispiel Obst nehmen und es zerteilen,

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