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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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kleine Spiegel?
    – Ganz einfach, weil’s vorher mal ein einziger großer war; der ist zusammengebrochen.
    – Warum?
    – Weil der eine Spiegel unbedingt etwas sehen wollte, sich selbst vor allen Dingen.
    – Bescheuert.
    – Sag ich dir.
    – Und was dann?
    – Dann hat es sich ins All geschossen und kreist jetzt in der Erdumlaufbahn, wir nennen das Sterne.
    – Weiter.
    Er überlegte kurz: Wie wär’s mal mit etwas Romantischem, eine Liebesgeschichte?
    – Finde ich affig.
    – Oder ein Märchen?
    – Kannst es ja versuchen.
    – Da gibt’s einen Jäger, der hat Hunde, ein ganzes Dutzend. Gut, mit diesen Hunden zieht der Jäger jetzt los, um gute Beute zu machen. Schließlich kommt er zu einem See in der Mitte eines Waldes. Er watet etwas ins Wasser und sieht dann plötzlich eine wunderschöne nackte Frau am Ufer, die im See badet. Neugierig geht er näher heran und beobachtet die Frau. Diese entdeckt ihn aber und ist vollkommen sauer über den Voyeur. Was der Jäger nicht weiß, es ist die Göttin der Jagd und des Waldes, die da vor ihm steht. Also, bespritzt sie ihn mit dem Wasser des Sees. Schnell rennt er davon, läuft und läuft, bis er zu einem stillen Tümpel kommt; da sieht er in seinem Spiegelbild, dass er sich in einen verdammten Hirsch verwandelt hat. Schließlich haben ihn aber auch die Hunde erreicht; sie erkennen ihren Herrn nicht mehr in ihm und zerreißen ihn auf der Stelle in Stücke. Und?
    – Das ist die Geschichte von Aktaion.
    – OK. Du weißt echt Bescheid, nicht?
    Die schnelle Antwort: Wie findest du das, du wachst morgen früh auf und bist eine Zitrone, randvoll mit Blut gefüllt; dann nimmst du ein großes Küchenmesser und schneidest dich einmal der Länge nach selbst auf und drückst dich aus.
    – Bin ich jetzt ja auch, voller Blut.
    – Aber du bist keine Zitrone.
    – Weiß nicht, vielleicht bin ich eine Zitrone, wenn ich will. Ich kann alles sein, was ich will.
    – Du bist vielleicht auch eine Schweinehälfte am Haken und fährst zur nächsten Station, weißt schon, dort, wo man in kleine Teile zerlegt wird. Und freust dich auf die Fahrt und die Aussicht. Wie im Zug.
    – Zerstückeln hatten wir schon.
    – Ich glaube, wir sollten blinde Priester werden.
    – Und was machen wir dann?
    – Wir schlachten Mondkälber. Mit Mondstaub drauf. Und wir legen Feuer in der ganzen Stadt und verbrennen alles, einfach alles, was da ist.
    – Und die Mauern werden fallen hin. Genau, den ganzen Mist, bis nichts mehr übrig bleibt, alles verdampft ist.
    – Es gibt absolut keine Überlebenden.
    – Wir brauchen nur uns.
    – Die Antwort dauerte einen Moment: Wie ist das, wenn ich blind werde?
    – Weil dir irgendein mieser Ork die Augen geklaut hat?
    – Ich bin freiwillig blind geworden.
    Er wartete ein paar Sekunden: Weil du nichts mehr sehen willst?
    – Ja.
    – Und du willst auch nichts mehr spüren, oder?
    – Ja.
    – Wie siehst du eigentlich aus?
    – Schwarz.
    – Und wo wohnst du?
    Es kam keine Antwort, schnell schrieb er weiter: Schreibst du öfter?
    – Manchmal. Hör auf damit.
    – Womit?
    – Mit dem Ausfragen.
    – Mache ich doch gar nicht.
    – Doch. Ausfragen ist wie ficken wollen.
    – Was?
    – Wie ficken. Ich will nicht, dass einer in mich reinkann.
    – Liegt dran, wer’s ist, oder?
    – Wenn einer in mich reinkommt, ist es aus.
    – Wenn einer nett ist?
    – Besonders dann.
    – Verstehe.
    Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: Dich interessiert auch nicht, wer ich bin?
    Er hätte ein klares Nein erwartet, aber sie schrieb: Das weiß ich noch nicht.
    Immerhin. Jetzt konnte er mehr wagen: Wollen wir uns mal treffen?
    – Nur in der Hölle.
    – Dann eben da. Wann?
    Eine Weile verging. Als er schon aufstehen wollte, schrieb sie: Ich mache jetzt Schluss. War ganz OK mit dir, mach’s gut.
    Er schrieb ein du auch in das Textfeld und beendete das Programm. – Ein bitteres Lächeln, das hier war nur Spielerei in einem Computer, die Realität des Schmerzes blieb. Sein Blick fiel auf die Wand:
    1 Du wirst sie nicht anrufen.
    2 Ein Berg bewegt sich nicht (du).
    3 Du wirst dich nicht entschuldigen.
    4 Sie hat sich zu entschuldigen (erst dann rufst du zurück).
    5 Du schaust nach vorne.
    Das war jetzt wohl hinfällig, Mel dachte nicht daran, sich zu entschuldigen, wahrscheinlich dachte sie gar nicht mehr an ihn.
    Sondern an Thomas.
    Er sollte jetzt einfach hinüberfahren, ihm im Treppenhaus auflauern und ihm einen Tritt in die Magengrube verpassen. Er würde ihn dann an den

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