Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
wenig er sie doch kannte.
    Einen Moment lang saß sie angespannt da, trommelte mit den Fingern auf den Tisch, nahm dann ihr Handy aus der Tasche und tippte eine schnelle Nachricht:
    Ich hab es ihm gesagt. Er ist sauer und jetzt weg.
    In der Gewissheit, dass die Antwort nicht lange auf sich warten lassen würde, behielt sie das Telefon in der Hand; die SMS kam umgehend:
    Gut. Jetzt hast du’s hinter dir. Er wird sich schon wieder einkriegen, das ist nur der erste Schock.
    Sie schrieb zurück:
    Ich fühl mich richtig elend und könnte heulen.
    Eine schnelle Retoure:
    Schon klar, auch normal. Bleibt’s bei heute Abend, bei dir?
    Sie zögerte einen Augenblick und blickte wieder auf die Tür zum Treppenhaus:
    Ja, sicher. Um 8?
    Die sofortige Antwort:
    Bin da. Wir schaffen das! Ich liebe dich … T.
    Sie tippte ein Ich dich auch in die Tastatur und legte das Handy zur Seite. Ein neues Wischen mit dem Handrücken, ein neuer schwarzer Streifen.
    Sie wusste, dass Thomas seit Jahren zu einem Therapeuten ging, und hatte ihn wegen dessen Kontakt angerufen. Er munterte sie dann mit netten Worten auf, das würde schon wieder werden, auch wenn diese Aktion von Bastien, zugegeben, eine wirklich miese Nummer sei. Wahrscheinlich müsse er seine Männlichkeit irgendwie aufmöbeln, das sei normal für Männer in seinem Alter. Sie war etwas überrascht ob dieser mangelnden Loyalität, schließlich war Thomas einer von Bastiens besten Freunden, zudem sein Mäzen. Er schien das am Telefon zu merken und beeilte sich, Bastiens liebenswerten Charakter noch einmal ins rechte Licht zu rücken; was ihn aber nicht davon abhielt, Mel für denselben Abend ins Kino einzuladen, ein ungarischer Film, es ginge um jemanden, der sich am Ende selbst ausstopfe, der Tipp eines Freundes, vielleicht nicht schlecht. Sie schluckte kurz und nahm an.
    Ein Klappern im Treppenhaus, offenbar trug jemand sein Fahrrad die Stufen hoch, sie stellte sich an die Tür und öffnete diese einen Spalt breit, die Stimme verriet einen Nachbarn. Sie setzte sich wieder an den Küchentisch und dachte nach.
    Thomas kam ihr vor dem Eingang bereits entgegen, er hätte seinen Therapeuten informiert, und es gäbe für morgen schon einen Termin; aber eines nach dem anderen, zuerst der Film, dann müsse sie alles erzählen. Sie nickte, sah sich um und wunderte sich, das etwas verranzte Programmkino entsprach nicht wirklich den üblichen Vorlieben, die sie von Thomas kannte, auch passte er mit seinem Maßanzug und blank gewienerten Schuhen wohl kaum zu den anderen Besuchern im Foyer; so ging man in feine Restaurants oder in die Oper, aber nicht in ein Kreuzberger Kino. Auf ihre Bemerkung hin lachte er, wenn er jetzt antizyklisch daherkomme, gut, dann sei das so, wer von denen hier eben nach Äußerlichkeiten urteile, müsse das tun, das interessiere ihn nicht.
    Die Kassiererin schob das Restgeld über den Tresen, und er steckte es achtlos in sein Portemonnaie, fasziniert nahm Mel die lange Reihe der übereinandergesteckten Kreditkarten, zumeist goldene, wahr. Ein Gefühl beschlich sie, dass sie sich das hier verdient hatte, zumindest einmal in ihrem Leben mit Aufmerksamkeiten umsorgt zu werden, und wenn es nur um den Kauf einer einfachen Kinokarte ging; und einmal nicht Bastiens übliche Arie von Nöten mit gescheiterten Ideen und Kunstprojekten zu hören, immer abends, zumeist in einer Laune, die jedes Lächeln als mangelnde Solidarität zu diesem Dauer-Leiden auslegte.
    Thomas umgriff ihre Schulter, und sie gingen zu den Plätzen, der Film fing sofort mit einer Szene in einem Strafgefangenenlager an. Bereits nach kurzer Zeit war ihr ein Hinsehen nicht mehr möglich, da die Close-ups in schneller Reihenfolge wechselten: ein Landser im Beischlaf mit einem Schwein, ein darauf folgender Schuss in den Kopf, ein Hahn, der auf einem Penis herumpickte; sie spürte Thomas’ Hand an ihrer Schulter, ob alles OK sei? Dieser Freund habe eigentlich immer ganz gute Empfehlungen an Filmen, aber zugegeben, das sei schon nicht ohne. Mel nickte tapfer, konnte ihren Ekel aber nicht weiter verbergen, als sich ein Wettfressen von Hundertsechzig-Kilo-Dicken anbahnte, die sich im Anschluss großmundig in die Kamera übergaben; ohne weitere Worte nahm Thomas sie an die Hand und führte sie nach draußen, er müsse sich wirklich entschuldigen, das wäre nun alles andere als ein romantischer Film, schon komisch, wenn auch mit guten Anlagen, schließlich seien es ja alles Anspielungen auf die ungarische

Weitere Kostenlose Bücher