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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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Nachkriegszeit, aber wer würde das an einem solchen Abend schon so genau wissen wollen? Am besten, sie würden jetzt einfach etwas essen gehen, im Victorians wäre es gemütlich, ganz abgesehen von dem wirklich ozeanischen Essen dort.
    »Ozeanisch?«
    Sie sah ihn vor sich stehen, sein Anzug, das passende Hemd, die gekonnte Art, mit der er ein Taxi heranwinkte und ihr die Tür aufhielt; so sah man aus, wenn man in ein feines Restaurant gehen wollte. Und eben nicht in ein Kino.
    Später am Abend fiel sie ihm um den Hals, einfach so, wie sie sich später sagte, einfach nur so , ohne zu zögern. Das Küssen auf dem Bordstein dauerte dann eine ganze Stunde, bis er sie schließlich sanft zum Eingang ihrer Tür drängte, die sie mit bebenden Händen aufschloss. Sie fühlte seine Hand an ihrer Hüfte, als sie die Treppen hochstiegen, um sich im Schlafzimmer wieder in die Arme zu fallen. Einer ihrer wenigen Sätze in dieser Nacht war, dass sie aber noch die Sache mit Bastien klären müsse , worin er ihr verständnisvoll beipflichtete.
    Der nächste Morgen verlief erstaunlich geordnet, Thomas war noch nachts gegangen, aus Anstand Bastien gegenüber hielt er es für besser, nicht, oder jedenfalls noch nicht, in dessen Bett zu übernachten. Das zu erwartende Gefühl der Verwirrung blieb bei ihr aus, nicht zuletzt, weil ihre erste Stunde beim Therapeuten anstand. Es gab nur ein kurzes Frühstück, sie griff ihren Mantel und rannte los. Im Sprechzimmer hatte sie dann einige Minuten zu warten, bis Dr. Ebert eintrat, ihr jovial lächelnd die Hand reichte, sich einen Stuhl heranzog und sie bat, in einem ausladenden Schwenker Platz zu nehmen. Er war nicht gerade das, was man einen gutaussehenden Mann nennen würde, unter dem legeren Jackett zeigte sich ein deutlicher Bauchansatz, und die rosa-rötliche Gesichtsfarbe verwies möglicherweise auf alkoholische Vorlieben. Mels Blick fiel auf einige Grafiken an der Wand. »Sie sammeln Kunst?«
    Er machte eine abwertende Handbewegung, nein, nicht wirklich, das fiele unter Gelegenheit macht Diebe , unter seinen Patienten wären überdurchschnittlich viele Künstler, da würde man schon mal das ein oder andere Werk erstehen, mehr aber auch nicht. Sie nickte, dann sei sie ja bei ihm an der richtigen Adresse. Auf sein Fragen hin erzählte sie von Bastien, dass er eben Künstler sei, sie im Übrigen auch, Fotografin.
    »Fotografin? Spannend, was fotografieren Sie?«, fragte er ruhig.
    »Spuren.«
    »Spuren? Sie meinen Fußabdrücke im Sand?«
    Das wäre auch eine Möglichkeit, sicher, aber eigentlich käme es ihr auf andere Spuren an, auf solche, die gewisse Ereignisse hinterlassen hätten, eine Demo zum Beispiel, oder Kämpfe, generell Ereignisse mit Menschenmassen. Sie fotografiere eben das, was anschließend zurückbliebe.
    »Sehr interessant. Über die Dokumentation Ihrer Fotos erhalte ich also Rückschlüsse auf das Vorangegangene, kann mir zumindest die Frage stellen, was an diesem Ort geschehen ist, der solche Indizien hinterlässt, eine klassische Deduktion.«
    »Genau.«
    Er schwieg einen Moment lang und blickte sie dann fest an: »Welche Indizien hinterlässt ein Ort, an dem geliebt wurde?«
    Die Frage irritierte sie. »Ich weiß nicht. Vielleicht weggeworfene Dinge, die zusammengedrückt wurden, Taschentücher, so etwas; Dinge, die vielleicht auf –«
    »– eine erhöhte Emotionalität hinweisen?«, stellte er lächelnd fest. »Ich denke schon, dass man einen solchen Ort erlesen könnte. – Dass man dann sehen könnte, wie und auf welche Art geliebt wurde, nicht?«
    »Bestimmt. Warum fragen Sie das?«
    »Nun, deshalb sind Sie doch hier, nicht? – Die Probleme mit Ihrem Mann, vermute ich.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber es stimmt.«
    »Ja.«
    Er lächelte sie weiter an und sprach darüber, dass das ja ganz normale Vorgänge seien, es gebe kein zwischenmenschliches Verhältnis ohne Differenzen, ebenso wenig gebe es Autos, die nicht auch ab und an zur Reparatur müssten oder eben auf den Schrottplatz, ab einer gewissen Laufzeit. Und menschliche Laufzeiten seien nun einmal sehr kurz und voller Pannen. Sie solle ihm von ihrer Ehe erzählen, damit er im Bilde sei. Stockend begann Mel damit, wie sie Bastien kennengelernt hatte, schilderte dann sein Verhältnis zu den Kindern, dass er sich ihrer Meinung nach nicht genügend um sie kümmern würde.
    Er unterbrach sie: »Das kommt gleich. Nur die reinen Informationen, bitte.«
    Sie fuhr fort und beschrieb ihren gemeinsamen Alltag

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