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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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diese Bilder wieder aus ihrem Kopf zu bekommen. Sie klickte wahllos auf einige weitere Kassetten, Nr. 35, Nr. 40, 41, 42, allein schon auf diesen war er dreimal mit ihr zu sehen – richtig, er war ja allein mit ihr zu dieser Zeit.
    Die Kassetten waren unter ihrem Schreibtisch verstaut, sorgsam beschriftet, mit Datum und Ortsangabe; Köln-Niehl stand da, in ihrer alten Kinderschrift. Eigentlich war sie stolz auf sich, nicht jede Dreizehnjährige wäre auf die Idee mit der Videokamera gekommen. Um eines Tages seinem verlogenen Leben einen richtigen Tritt zu geben.
    Jetzt war sie groß genug für diesen – Tritt.
    Auf der Kassette 45 war wieder der Kunststudent zu sehen, diesmal allein. Er schien auf ihn zu warten, und, da er sich unbeobachtet wähnte, bohrte er ungeniert in der Nase. Auf dem Tisch hatte er einige Grafiken ausgebreitet, sie sah, wie er die farbigen von unten nach oben legte, wohl, um sie zuerst zu zeigen. Dann schien er sich es anders zu überlegen und legte wieder einige Kohlezeichnungen obenauf. Dieser Vorgang wiederholte sich ein paarmal, es hatte etwas von Slapstick. Mit jedem Wechsel der Blätter empfand sie ihn sympathischer, er war offenbar ein ausgemacht liebenswerter Chaot. Wahrscheinlich wusste er nicht, mit wem er es zu tun hatte.
    Sie drückte auf EJECT, und die Disc fuhr aus dem Notebook. Sie legte sie vorsichtig in die Hülle zurück und wischte mit dem Ärmel etwas Dreck ab. Nur 10 x 10 Zentimeter. So ein kleines Ding reichte schon, um das Leben eines Menschen zu zerstören. Wenn er denn nur ein Mensch wäre, aber nein, er war ein Insekt, das machte es einfacher.
    Für ihre Geschichte brauchte sie noch drei, vier Tage, jeder wüsste dann, warum sie es getan hatte. Dazu die Kassetten und ihren Brief an ihn in Kopie, das war das ganze Paket. Überschaubar. Sie beschloss, mit dem Brief schon heute zu beginnen, sie hatte so gute Laune.
    *
    Der Film zeigte einen Sonnenuntergang im Zeitraffer. Der rote Ball beschrieb einen zügigen Halbkreis und versank schließlich im orange leuchtenden Wüstensand; dort war jetzt eine Karawane zu sehen, die auf den Betrachter zumarschierte, dazu lief traditionelle Musik, und das Logo des Reiseveranstalters blendete sich wie von Zauberhand ein. Thomas klickte kurz hintereinander SERVICE, OFFERS, CONTACT an und wechselte dann die Seite. Jetzt stand eine Fantasie-Moschee im Mittelpunkt des Bildes, einige Animationen von fliegenden Teppichen führten durch das Menü der Homepage. Wie bei fast allen Anbietern lag der Schwerpunkt auf Jordanien, und die Bilder sahen verführerisch aus; gelbweißer Wüstensand, schroffe Berge, Einheimische im Kaftan, die Welt des alten Orients schien einen ganz plastisch anzuspringen, wenn auch hier und da einige verräterische Autos und Strommasten zu sehen waren.
    Ein Anbieter hatte sich auf Luxushotels in Amman spezialisiert, die Seite prangte mit Darstellungen von Pools, Palmen und glamourösen Empfangshallen, die Zimmer konnten offenbar mit den Gemächern des Omayyadenpalastes mithalten, ein Traum in Seide und Gold , so die immer wiederkehrende Headline. Das würde Mel als Silvesterreise sicher gefallen, ein Hotel, bestens vernetzt mit der Außenwelt und somit mit Debbie und Zoe, ein Hotel, in dem man alles konnte, aber nichts musste, vor allen Dingen nicht denken. Man war dort, um sich zu lieben, sie beide allein, nur für sich und für diese neue Liebe, die damit ihr erstes offizielles Statement hätte.
    Die Pools schienen sehr belebt zu sein; attraktive Menschen standen an der Bar, tranken Cocktails, einige dunkelhäutige Schönheiten lagen auf Sonnenliegen und lächelten in die Kamera. Thomas lächelte zurück, er mochte kitschige Werbungen, empfand er sie doch ehrlicher als Werbung, die so tat, als sei sie keine mehr. In Jordanien schien man, was das anbelangte, äußerst ehrlich zu sein. Auf einer zentral abgebildeten Sonnenliege räkelte sich ein Model mit einer untypischen Frisur, ihr schwarzes Haar war wellig, und sie trug einen gerade geschnittenen Pony. Er dachte an einen Jeep, ein ausgetrocknetes Flussbett im Northern Territory und an zerschlissene Jeans; darüber eine braungebrannte Hand am Schaltknüppel. Ihr würde dieses Hotel ganz sicher nicht gefallen, wahrscheinlich würde sie sich solche Sites gar nicht erst anschauen – und sie würde ganz sicher nicht in dieses softe Jordanien fahren.
    Nach einem kurzen Zögern gab er Kirstens Namen bei Google ein, die Informationen waren spärlich, ihr Name fiel

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