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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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Lebensgefahr.

6
    Die Tage waren jetzt schneidend kalt. Da Bastiens Heizung seit mindestens einer Dekade nicht mehr gewartet worden war, verdiente sie kaum noch diese Bezeichnung, und er wehrte sich mit einem Überzug aus drei Pullovern gegen die ständige Kälte. Mels anhaltende Kommentarlosigkeit versetzte ihm weitere gefühlte Minusgrade, kein Wort darüber, wie es ihr und den Kindern ging, keine Frage, wie er es hier aushielt, der Schmerz erreichte eine neue, ungeahnte Qualität. Schließlich ließ er bei Amy, einer ihrer besten Freundinnen, durchblicken, dass er einen mittelschweren Fahrradunfall gehabt hatte und wahrscheinlich für einige Zeit ins Krankenhaus müsse. Es sei eben noch nicht klar, ob die Wirbelsäule bleibende Schäden davongetragen hätte oder ob das mit einer Operation noch zu beheben sei, das müsse man abwarten, aber die Ärzte seien nicht wirklich optimistisch. Was solle er sagen? Im Grunde hätte er ein wirklich gutes Leben geführt und könne sich jetzt nicht beklagen, selbst wenn er den Rest seiner Tage im Rollstuhl verbringen müsste. Amy war entsetzt, zuerst diese blöde Trennung und dann das , im Moment schlüge ihn wirklich das Schicksal. – Ob er denn Schmerzen habe und ob man helfen könne? Bastien sagte, dass es schon irgendwie ginge, er könne sich eben kaum bewegen, was natürlich ein Problem sei. Für den Einkauf, die Fahrten zu den Ärzten, da sei eben niemand, und es wäre wohl am besten, wenn er die Operation auf der Station abwarten würde. Zumindest hätte er dort etwas zu essen. Amy war so betroffen, dass sie eine ganze Minute lang schwieg. Er senkte die Stimme nun auf Grabesniveau, sie solle nur Mel nichts davon erzählen, sie würde sich bestimmt Sorgen machen. Spätestens jetzt war es um Amy geschehen, sie weinte hemmungslos in den Hörer, natürlich, das würde sie ihm versprechen. Nachdem sie ihm einige weitere Male ihre Hilfe anbot, verabschiedete er sich mit einem schwachen Mach’s gut.
    Nun hieß es warten.
    Wie er vermutet hatte, rief Mel nach einer Stunde an, was denn passiert sei, sie hätte gehört, dass er einen Unfall gehabt hätte. Er schilderte seine viel zu schnelle Fahrt mit dem Fahrrad, sogar über eine rote Ampel, und das auch noch auf der breiten Skalitzer, bis er dann frontal auf diesen Bus geknallt sei; nun ja, das Fahrrad sei hin, und seitdem mache seine Wirbelsäule, was sie wolle, das Bewegen falle ihm sehr, sehr schwer.
    »Also war es deine Schuld?«, fragte sie.
    Es wäre wohl die allgemeine Situation, antwortete er, die Trennung, das neue Leben, er sei einfach durcheinander gewesen und nicht konzentriert genug gefahren.
    Er ließ bewusst einige Sekunden des Schweigens verstreichen, sie fragte ihn, ob Rob sich denn um ihn kümmern würde? Es ginge so, der hätte eine Menge mit seiner neuen Bildserie zu tun und sei jetzt bald auch verreist, wegen Heiligabend, sagte er und wartete wieder. Die Antwort kam etwas zögerlich, ob sie denn etwas tun könne, ob er etwas brauchen würde? Er verneinte schnell, er käme schon halbwegs klar, auch trotz der Schmerzen; und essen müsse er ja nicht unbedingt.
    Eine neue Pause. Sie sprach dann sehr entschlossen, am frühen Abend sei sie da, mit dem Einkauf und Schmerzmitteln, auf jeden Fall solle er sich nicht von der Stelle rühren.
    Nun galt es, scharf nachzudenken und keine Fehler zu machen. Als Erstes fiel ihm das unversehrte Fahrrad im Treppenhaus ein, das zweite Problem bestand in der Halskrause, die er besorgen musste. Auch hatte man ja eigentlich Schürfwunden an den Beinen oder Armen. Und der Kühlschrank war voll, es gab also keinen Grund für einen nötigen Einkauf. Die Energie, die er jetzt entwickelte, erstaunte ihn selbst; sämtliche Käseecken und Schnitzel landeten in einer Mülltüte, die er grob zuknotete und sich auf den Rücken lud. Er rannte durch das Treppenhaus; mit einem Schwung landete die Tüte in der Mülltonne, ebenso schnell griff er zum Fahrrad und fuhr los, die nächste Apotheke war am Ende der Straße. Zum Glück hatte man dort ein Sortiment an Halskrausen, Mullbinden und große Profi-Pflaster, er packte alles in seinen Rucksack, raste zurück und versteckte das Fahrrad hinter den Mülltonnen. Mel würde wohl kaum hinter den Tonnen herumspionieren wollen, trotzdem bog er das vordere Schutzblech nach oben. – Etwas zu weit, mit einem knackenden Geräusch löste sich auch die Gabel vom Gestänge, und er hielt den Vorderreifen samt Schutzblech in der Hand. Es sah mitleiderregend

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