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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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aus, wie sein geliebtes Fahrrad jetzt nur noch durch zwei Bremskabel zusammengehalten wurde, aber für Trauer war keine Zeit. Er stellte das Fahrrad jetzt deutlich sichtbar vor die Mülltonnen und rannte die Treppen hoch. Oben verstaute er sorgsam alle Zeugnisse der letzten Tage hinter dem Sessel – Weinflaschen, volle Aschenbecher etc. Nun ging es an die Verbände, drei würden reichen, an beiden Armen und am rechten Knie. Nachdem ein Dutzend Mullbinden verbraucht waren, beherrschte er allmählich die Kunst des Verbindens. Etwas verdünnte Acrylfarbe gab den Stellen ihren letzten Schliff, und ein Blick in den Spiegel stellte ihn zufrieden: Er gab ein Bild des Jammers ab. Die Halskrause legte er sich schon einmal probehalber um, so wie damals, als er eine Nackenstarre wegen einer Vollbremsung mit dem Auto hatte; natürlich wusste Mel nicht, dass auch diese nur vorgetäuscht war, da ein Ausflug mit den Kindern in den Zoo bevorstand.
    *
    Mel beeilte sich nicht. Schließlich sollte er ja noch etwas Zeit haben, um sich die Verbände anzulegen; vielleicht hatte er sogar noch die Halskrause von damals, als er diesen Beinahe-Crash mit dem Auto vorgetäuscht hatte. Sie ärgerte sich etwas, er hätte sich diesmal wirklich etwas anderes einfallen lassen können, vor allen Dingen fragte sie sich, für wie naiv er sie hielt. Sie packte zwei Salate aus dem Kühlschrank ein, dazu das Wasser – Dinge, die er nicht mochte und ganz sicher nicht essen würde. Bei den Weinflaschen zögerte sie (Thomas hatte sie mitgebracht), aber dann nahm sie auch diese mit.
    Sie schickte Thomas eine SMS, Ich liebe dich! , und bestellte das Taxi.
    Natürlich war sie aufgeregt.
    Der Taxifahrer gab sich anfangs schweigsam und nickte wortlos zu der Adresse, die sie ihm mitteilte; als dann im Radio eine Sendung zur Astronomie begann, wurde er zunehmend lebendiger und kommentierte das Gesagte in seiner tiefen Baritonstimme: »Wahnsinn.«
    Der Sprecher in Universum heute fuhr fort, die Milchstraße zu beschreiben – den Namen Milchstraßensystem trägt unser Sternsystem nach der Milchstraße, die als freiäugige Innenansicht des Systems von der Erde aus wie ein quer über das Firmament gesetzter milchiger Pinselstrich erscheint. Dass dieses weißliche Band sich in Wirklichkeit aus ca. 100 bis 300 Milliarden von Sternen zusammensetzt, wurde erst 1609 von Galileo Galilei erkannt, der die Erscheinung als Erster durch ein Fernrohr betrachtete.
    »Wahnsinn.«
    Schon im Altertum war die Milchstraße als heller, schmaler Streifen am Nachthimmel bekannt. Ihr altgriechischer Name galaxias – von dem auch der heutige Fachausdruck »Galaxis« stammt – ist von dem Wort gala, also Milch, abgeleitet. Wie dem deutschen Wort »Milchstraße« liegt also auch dem altgriechischen Begriff das »milchige« Aussehen zugrunde. Das Milchstraßensystem besteht aus etwa 100 bis 300 Milliarden Sternen und großen Mengen instellarer Materie, die nochmals 600 Millionen bis einige Milliarden Sonnenmassen ausmacht, die Anzahl der Sterne und damit auch die Gesamtmasse unserer Galaxis kann auf Basis von Berechnungen und Beobachtungen aber nur geschätzt werden. Die Masse dieses inneren Bereichs der Galaxis wird mit ungefähr ca. 180 Milliarden Sonnenmassen veranschlagt. Ihre Ausdehnung in der galaktischen Ebene beträgt etwa 100 000 Lichtjahre, die Dicke der Milchstraßen-Scheibe etwa 3000 Lichtjahre und die der zentralen Ausbauchung etwa 16 000 Lichtjahre.
    Die Sendung wurde durch einen Verkehrshinweis unterbrochen, und er drehte den Ton leiser, von diesem Universum könne man sich doch eine Menge abgucken, das mit den Planeten und diesen Schwarzen Löchern, das zeige doch, wie es da oben wirklich aussähe, nichts sei da geordnet oder garantiert, man müsse eben nur hingucken, genau hingucken.
    »Das ist aber schon geordnet, alles verläuft in Umlaufbahnen um Sonnen«, bemerkte Mel kurz. Er schüttelte energisch den Kopf, nein, immer wieder würden diese Dinger aneinanderkrachen, Asteroiden, Kometen, all das, es gäbe ja diese Crashs, wie eine Karambolage auf der Autobahn; im Grunde regiere doch nur der Zufall, wer wisse schon, wann welcher Stern oder Meteorit an den anderen knalle? Das sei das pure Chaos, und keiner könne beantworten, ob das eben Absicht oder Zufall sei.
    »Absicht? Von wem?«
    Das sei ja das Spannende, fuhr er fort, vielleicht stecke hinter diesen ganzen Karambolagen ja doch ein System, ein Wille, vom lieben Gott, Allah oder sonst wem. Und wenn nicht, dann

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