Geh auf Magenta - Roman
Foto ganz einfach auf die Leinwand projizieren, das könne er ihr gerne einmal zeigen.
»Das heißt, du könntest auch ein Foto von mir auf eine Leinwand – Dingsda, übertragen?«
»Kein Problem. Du brauchst nur das Foto.«
»Das ist super. Weil ich das eben nicht kann, dieses Abzeichnen, weißt du. Und dann könnte ich es malen?«
»Genau.«
Sie brauchte ihre nächste Frage gar nicht erst zu stellen, da Rob ihr bereits anbot, dass sie das in seinem Atelier machen könne. Das wäre natürlich super, sagte sie, sie hätte ja ohnehin noch ein paar Utensilien bei Bastien, die würde sie dann einfach zu ihm bringen, und wann es denn gehen würde?
»Immer«, sagte Rob. »Das Material habe ich aber da. Komm einfach mit deinem Foto vorbei, dann machen wir das schon. Was ist es denn, ein Passbild, Portrait, so etwas?«
Sie würde da eher an einen Akt denken, sagte sie, ein Fotograf hätte mal einige von ihr gemacht, die seien ganz gut geworden, also, die zu malen, das wäre schon klasse. Und sie würde ihn ganz bald anrufen – aber natürlich nur, wenn sie ihn nicht störe? Er entgegnete, dass es zurzeit richtig gut passen würde, da er ohnehin nur Leinwände grundiere, also kein Problem. Sie standen auf, und sie umarmte ihn; wenn ein Tag so anfangen würde, wäre das ein echtes Geschenk, und für diesen Thomas würden sie schon eine Passende finden, auf jeden Fall. Und es täte ihr auch leid für Bastien, aber sie hätte sich so etwas schon gedacht.
»Warum?«, fragte Rob.
»Weiß nicht. Er war in Thailand immer so unentspannt.«
Er brachte sie zur Tür, dort umarmte sie ihn noch einmal, also bis bald, sie würde sich total freuen. Rob sah ihr nach und zündete sich eine Zigarette an, was er zu dieser Tageszeit selten tat. Er war noch nie so froh gewesen, auf der ganzen Linie versagt zu haben.
*
Sonia zog den Mantel fester um ihre Schultern, er war zwar schön, aber im winterlichen Berlin nicht gerade praktisch. Acun hatte ihn ihr geschenkt. Eigentlich schenkte er ihr jeden Tag etwas, eine Tasche (von denen sie jetzt ungefähr vierzig besaß), irgendwelchen Schmuck oder irgendwelche Schuhe, sie konnte das Zeug langsam nicht mehr sehen. Auch nicht mehr seinen gönnerischen Blick dabei. Einmal hatte er ihr einen kleinen Hund mitgebracht, damit sie während seiner Abwesenheit nicht so alleine sei; sie hatte es gerade noch geschafft, ihn davon zu überzeugen, dass sie eine schwere Allergie gegen Tierfell habe. Der kleine Hund tat ihr leid.
Die meisten Männer, die sie vorher hatte, waren doppelt so alt wie sie; zwei Vorstandsvorsitzende, einige Manager, einmal ein Modezar, jetzt ein Banker. Die Geschenke kamen gewöhnlich, nachdem das erste Vertrauen geschlossen war, zuerst eine Kette, ein Ring, dann ein gemeinsamer Urlaub, zuletzt das Auto und die Wohnung, immer in dieser Reihenfolge. Sie war sich durchaus bewusst, dass man das berechnend nennen und sie auch als Halbprofessionelle bezeichnen könnte; wenn sie mit ihrem nagelneuen Cayenne irgendwo vorfuhr, blieb so etwas kaum aus. Sie hatte sich daran gewöhnt, auch an die vermeintlich wissenden Blicke von Gästen in teuren Restaurants und Bars, all das nahm sie wahr und vergaß es so schnell wie möglich wieder. Sofern ihr das an den Abenden möglich war, die sie allein zubrachte, und das waren nicht wenige. Hinauszugehen, in eine Kneipe, das war nahezu unmöglich, also verbrachte sie die meiste Zeit vor dem Telefon. Die Anrufe kamen manchmal stündlich, nicht viel mehr als inszenierte Kontrollanrufe, die durchschaubar waren. Sie beherrschte inzwischen ein Repertoire an Antworten, die auf nahezu alle Fragen anwendbar waren, so dass sich diese Telefonate selten in die Länge zogen. Vielleicht mit Ausnahme der Gespräche mit ihrer Mutter. Ein- bis zweimal die Woche rief sie sie an und berichtete ihr von einem neuen Job in der Modebranche (den es nicht gab), von ihren Freunden hier in Berlin (die es auch nicht gab), von dem geplanten Urlaub, und da sei natürlich noch X, ein neuer Mensch in ihrem Leben, sehr bescheiden, aber großzügig, wann immer es denn ginge. Ihre Mutter mochte bescheidene Menschen, das wusste sie, kam sie doch schließlich aus Verhältnissen, die man in der Regel sehr bescheiden nannte: ein Reihenhaus im Westen Oranienburgs, ein kleiner Garten, vor der Tür ein gebrauchter Passat mit gestickten Kopfkissen auf den hinteren Sitzen. Ihr Vater, ein Kfz-Meister, war nun Rentner, ihre Mutter war nie etwas anderes als eine Hausfrau gewesen. Dass
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