Geh auf Magenta - Roman
absoluter Dunkelheit ins Gras gelegt. Auch jetzt konnte er nur schwer seine Umgebung ausmachen, aber langsam gewöhnten sich seine Augen an das Mondlicht. Die Konturen des Urwaldes waren in der Ferne zu sehen, bis zum Sonnenaufgang könnte er ihn erreichen. Er strich durch das Gras, um die Abdrücke seines Nachtlagers zu verwischen, und lief los. Schon bald hatte er wieder zu seinem Rhythmus gefunden, er atmete regelmäßig und behielt eine konstante Geschwindigkeit bei. Er erreichte den Wald und lief langsamer, überall versperrte ihm das Unterholz den Weg. Auch Vorsicht war geboten, er konnte nicht wissen, ob man ihm hier, im unübersichtlichen Urwald, nicht eine Falle stellte. Das Gleiche galt für die Treppe auf der anderen Seite des Waldes, sie war mit Sicherheit bewacht.
Nach einiger Zeit hatte er die ersten Felsen erreicht und kletterte nun talabwärts, von hier aus war die Treppe gut einzusehen. Seine Vermutung bestätigte sich, an ihrem Rand sah er dunkle Gestalten im Gras liegen, es waren bestimmt an die zwanzig Männer, die den Weg bewachten. Sie erinnerten ihn an Abbildungen von Maya oder Azteken, einige trugen eckige Schwerter oder bunt angemalte Lanzen, ihre Köpfe waren mit imposanten Federbüschen geschmückt, auch waren ihre Gesichter mit Tätowierungen übersät, was ihre martialische Erscheinung noch verstärkte. Er lief geduckt weiter. Vor ihm öffnete sich nun eine Klamm, die steil abwärts führte, an ihrem Ende konnte er bereits die runden Dächer der Stadt erkennen. Sie würden wohl nicht vermuten, dass er sich ihnen von dieser Richtung aus näherte, dennoch nutze er jeden Felsbrocken als Deckung.
Am Ende der Klamm kletterte er seitlich einen Felssturz hoch und ließ sich schwer atmend auf dem Plateau nieder. Nichts erinnerte mehr an den Zustand, in dem sie die Stadt vorher gesehen hatten; die Gebäude waren nun herausgeputzt und mit Girlanden geschmückt, die kupfernen Dächer glänzten, und die Straßen waren voller Leben. Es mochten bestimmt an die tausend Eingeborene sein, die dort geschäftig durcheinanderliefen; überall war ein rhythmisches Trommeln zu hören, einige trugen Körbe und Krüge, offenbar befand man sich in der Vorbereitung für ein Fest. Er fragte sich, wo all diese Menschen vorher gewesen waren, so viele Personen hätten eine Unzahl an Spuren hinterlassen müssen. Und warum hatte man sie erst bis zum Krater gehen lassen, wenn man sie doch gleich hier hätte festsetzen können? Darauf gab es nur eine Antwort: Ihre Anwesenheit am Krater hatte diese Leute erst auf den Plan gerufen. Er war es gewesen, indem er in das Innere des Kraters hinabgestiegen war und unwissentlich die Vergangenheit wieder aktiviert hatte. Auch wenn es absurd klang, aber es war denkbar, dass diese Insel in der realen Welt gar nicht existent war, sie könnte sich in einer gänzlich anderen Dimension befinden. Das würde auch erklären, dass sie davor unentdeckt geblieben war. Nicht minder unheimlich kam ihm die zweite Möglichkeit vor; vielleicht hatten sie alle den Flugzeugabsturz gar nicht überlebt, sie erlebten nur einen Traum oder ein postmortales Erlebnis. Er verdrängte auch diesen unbehaglichen Gedanken und versuchte, Mila in der Menge ausfindig zu machen, sie war nirgendwo zu sehen. Am Rande des zentralen Tempels konnte er hingegen eine Gruppe Eingeborener beobachten, die an einer Vorrichtung arbeiteten, offenbar war es eine Art Kran, wie der Haken an der Spitze eines Baumstammes verriet. Er sollte wohl dazu dienen, zwei Käfige aus Bambusstangen anzuheben, die seitlich positioniert waren. Jetzt erblickte er auch Mila, die auf dem Boden einer der Käfige lag. In dem anderen saß Tom, er blickte apathisch auf das Geschehen um sich herum. Bastien suchte die Umgebung der Käfige nach einer Erklärung ab und nahm die Rauchschwaden wahr, die aus einer Spalte im Boden aufstiegen. Er robbte weiter am Felsen hoch, um einen besseren Blick zu bekommen, jetzt konnte er in das Innere der Spalte blicken und sah die kochende Lava, die sie ausfüllte. Der Berg über der Stadt war offenbar ein aktiver Vulkan, und die Spalte stellte eine Verbindung zu dem Magma in seinem Inneren dar. Das war es also, die beiden Käfige sollten in die Lava versenkt werden, wohl als ein Opfer an irgendeine perverse Gottheit. Die Arbeit ging voran, sie hatten das Gerüst bereits in Stellung gebracht und loteten die Entfernung bis zur Mitte der Spalte aus. Es galt, keine Zeit zu verlieren, er suchte das Gelände nach möglichen
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