Geh auf Magenta - Roman
nickte ab und zu, das sei ja wirklich ganz einfach. An manchen Stellen könne man auch genauer sein, sagte Rob und gab sich mit der Schattierung der Brüste besondere Mühe. Er musste sich einige Schweißperlen von der Stirn wischen, was sicher auf die Hitze des Projektorstrahls zurückzuführen war. »Willst du mal?«
Sie nahm die Kreide und zog einige Striche, er mahnte sie dabei zur Genauigkeit, je akkurater sie das jetzt mache, umso besser sei später das Ergebnis.
Schließlich hatte sie den ganzen Körper durchgezeichnet, und Rob schaltete den Projektor aus, das wäre es schon, sagte er. Eigentlich sei das ja ein Kinderspiel, entgegnete sie, man würde sich das ja viel schwieriger vorstellen, auch freier. Frei würde natürlich auch gehen, das wäre dann eben das klassische Aktzeichnen, er hätte das natürlich an der Akademie gelernt, im Laufe der Jahre hätte man es drin.
»Du kannst das? Dann kannst du ja auch mal einen Akt von mir machen, oder? Ich meine, wenn der hier nichts wird«, lächelte sie.
Natürlich könne er das machen, sagte Rob, aber ihr Bild würde schon etwas werden. Wann sie denn anfangen wolle? Am liebsten gleich morgen, sagte sie, während der Weihnachtstage hätte man einfach mehr Ruhe. (Auch war Acun ab morgen wieder für drei Tage in Istanbul.)
Sie sah Rob, wie er eine weitere Flasche Prosecco öffnete. Ihr gefiel sein Profil, überhaupt seine ganze Art, auch dass er keine schmierigen Sprüche zu ihren Fotos hatte verlauten lassen. Der zweite Umschlag war natürlich ein Test gewesen, und er hatte ihn bestanden. Lächelnd hielt sie ihm ihr leeres Glas hin, sie stießen an.
»Magst du mich mal umarmen?«, fragte sie leise.
*
Im Treppenhaus suchte Bastien nach seinem Schlüsselbund. Es roch ungewohnt gut im Gang; er brauchte nicht lange, um das Parfum als das von Sonia zu identifizieren, er erinnerte sich, dass sie es in Thailand gekauft hatte. Bestimmt war sie in seiner Abwesenheit da gewesen, um ihn zu besuchen, und das in den wenigen Minuten, die er ausnahmsweise einmal nicht im Atelier verbracht hatte. Er stellte die Einkaufstasche und die Tüte mit dem neu gekauften Material auf den Boden ab und nahm das Handy aus der Jackentasche, bestimmt war sie noch nicht weit. Es kam der Freiton, sie meldete sich nicht. Irgendwo im Treppenhaus schepperte es, ein Nachbar stellte etwas in den Gang, ein Telefon läutete in Robs Atelier, und in der Ferne war eine Polizeisirene zu hören, der Krach nervte ihn, und er steckte das Handy wieder ein. – Nur noch Ruhe. Er zog die Taschen und Tüten ins Atelier. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und er sperrte zweimal zu, Weihnachten – das blieb dieses Jahr besser außen vor.
Er entschied sich für einen Frauenakt. Die Zeit reichte nicht, um jetzt noch lange über komplexe Motive nachzudenken. Schnell skizzierte er den Körper und veränderte hier und da bewusst die Proportionen. Mit dem Gesicht verfuhr er detaillierter, es fiel sehr zierlich aus, nahezu schon kindlich. Die Frau erinnerte ihn ein wenig an Frings’ Tochter, das könnte dieser als anbiedernd verstehen, aber der dicke Farbauftrag würde die Ähnlichkeit schon minimieren. Mit einem breiten Pinsel und einer halben Tube Elfenbeinschwarz zog er die Linien nach und strich sie anschließend mit einem Spachtel glatt. Dann wiederholte er den Vorgang mit einem hellen Rot und Ultramarin, griff auch hier mit dem Spachtel ein und zerstörte die Linien an manchen Stellen. Das Bild wurde pastos, an manchen Stellen lag die Farbe nun mehrere Zentimeter dick auf der Leinwand. Er trat einige Meter zurück und betrachtete es, er war ganz zufrieden, nur erinnerte ihn das Gesicht immer noch an die kleine Mila Frings. Er stellte das Bild unverändert zur Seite und begann mit einem neuen Akt. Dieser fiel noch virtuoser aus, er hielt sich jetzt nicht mehr mit erkennbaren Proportionen auf, sondern verstrich ein halbes Dutzend Farbtuben kreuz und quer über die Fläche. Dann tränkte er einen Lappen in Terpentin und warf ihn mit aller Wucht in die Farbe, so dass er festklebte. Nachdem er diesen Vorgang einige Male wiederholt hatte, waren die Grundfarben zu einem braunen Matsch geworden; mit dem Spachtel schabte er sie wieder von der Leinwand und strich mit dem Pinsel einige fleckige Stellen nach. Er trat wieder zurück und sah kritisch auf das Bild, diesmal war es eher eine Landschaft, eine Bergkette war mehr oder minder deutlich zu erkennen. Also kein Akt. Er griff nach einem feinen Pinsel und begann,
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