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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Flur die Schuhe auszog, fiel ihm auf, dass der Geruch nach dem frisch tapezierten Mädchenzimmer nachgelassen hatte, und wieder rief er in seinem ehemaligen Zuhause an.
    »Elisabeth.«
    »Hier ist Jonathan.«
    »Hallo.«
    »Hallo.«
    Ein Schweigen wie auf Zehenspitzen, Vorsicht im Umgang miteinander nach alldem, was geschehen, gesagt worden war. Schließlich ergriff seine Exfrau das Wort.
    »Wie geht’s mit dem Job, dem Sicherheitsjob?«
    »Ich hab mich umgesehen.«
    »Dich umgesehen? Bist du die Rolltreppen rauf- und runtergefahren?«
    »So ist es.«
    »Hast dich vertraut gemacht.«
    »Nein.«
    Was sollte er ihr darauf antworten. Wide glaubte nicht, dass er der Mann war, der sich mit einem Kaufhaus vertraut machen könnte, egal, was für einer Art Kaufhaus.
    »Hast du diese Serie Das Kaufhaus im Fernsehen gesehen?«
    Er hörte sie kichern, schwach, fast unbewusst.
    » Das Kaufhaus?! Nein, danke, aber Elsa guckt es sich an.«
    »Ist das denn schon für sie geeignet?«
    »Diese Soaps schauen sich meistens Kinder an. Das gehört sozusagen zu ihrer Entwicklung, so wie wir früher bestimmte Mädchenbücher gelesen haben.«
    »Indianerbücher.«
    »Du hast Indianerbücher gelesen?«
    »Nein.«
    »Aha.«
    Das gefiel ihm nicht. Er hatte die Serie nicht gesehen, aber er hatte genügend Phantasie, um sie sich vorzustellen. Er mochte kein Fernsehen, jedenfalls nicht das, wofür das Fernsehen häufig stand: viel Menschenverachtung und gerissene Idiotie.
    »Mir gefällt nicht, dass sie sich so was anguckt.«
    »Jonathan …«
    »Das ist nichts für sie. Schaut sie sich stundenlang solchen Mist an? Und Jon sitzt womöglich daneben?«
    »Jonathan …«
    »Ein Glück, dass sie mich manchmal besuchen. Gut, dass ich das jetzt weiß. Jetzt wird mir klar, wie wichtig es ist, ihnen hin und wieder ein Buch in die Hand zu geben.«
    So schafft man eine Missstimmung wegen nichts. Wie in den meisten Fällen stand er neben sich und hörte dem kleinlichen Genörgel zu, den kleinen Sticheleien. So verteidigte sich jemand, der keine Vernunft annehmen will. Das Kaufhaus? Ihm doch egal, als Film oder in Wirklichkeit. Was er eigentlich sagen wollte, war, dass er mit jemandem sprechen wollte, es ihm aber schwer fiel, es auszusprechen, und er deswegen zum Angriff überging. Aber er glaubte, dass sie ihn verstand. Sie war eine Frau. Sie verstand ihn.
    »Entschuldige, lassen wir das Kaufhaus. Ich hab nur davon angefangen, weil ich es mir heute Abend ansehen werde, als eine Art Vorbereitung.«
    Sie antwortete nicht. Er konnte sie vor sich sehen, die Falte zwischen den Augenbrauen, die sich erst eine halbe Stunde nach dem Gespräch glätten würde, die Vorderzähne in die Unterlippe gepresst und der Körper eingehüllt in einen Duft nach Frühlingssonne. Seine Frau, als sie noch seine Frau gewesen war, hatte nach den ersten Apriltagen geduftet, wenn die Menschen sich auf die Parkbänke setzen und das Gesicht dem Himmel zuwenden. Nach zehn Minuten merken sie, dass ihr Körper auftaut; sie müssen die Jacke aufknöpfen. Dieser Augenblick war ihm immer fast heilig gewesen: das erste Mal im Jahr, an dem man die Kleidung lockerte.
    »Also, was diesen Job im Kaufhaus angeht, da bin ich nicht sicher, ob ich der Richtige bin.«
    »Passt dir die Schirmmütze nicht?«
    »Es geht eher um die Box am Eingang.«
    »Zu eng.«
    »Ja.«
    Die Stimmung kehrte zurück, ein wenig jedenfalls. Er entspannte sich.
    »Aber mal ehrlich, Jonathan, es geht doch nicht an, dass du ständig zögerst.«
    »Nein.«
    »Ich war der Meinung, dass du ihn angenommen und schon angefangen hättest.«
    »Angefangen hab ich gewissermaßen, ich sitz hier und schau mir die Profile von Ladendiebstählen an.«
    »Profile von Ladendiebstählen. Bald wird ja wohl alles mit dem Wort ›Profil‹ verbunden, das ist doch verrückt.«
    »Siehst du, ich bin schon deformiert, schon nach dem ersten Besuch dort.«
    »Trotzdem kannst du ja wohl wie ein normaler Mensch reden.«
    »Du hast Recht. Profile. Als ob man immer alles von der Seite betrachten müsste und am Ende sieht alles ungefähr aus wie ägyptische Figuren.«
    »So ist es. Alles soll gleich aussehen.«
    Es geschah wieder, genau wie vor wie vielen Tagen … Er konnte sich nicht erinnern, erinnerte sich aber an den Ton jenes Gesprächs, als ob all die Schärfe und die Staubwolken sich endlich gelegt hätten. Manchmal wurde noch etwas aufgewirbelt, wie eben, aber nur ein wenig. Dann legte es sich wieder.
    Jetzt und diesmal war ihm klar geworden, wie

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