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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Körper von Scandia in die Wohnung geliefert worden. Sie sah den Fernsehmast im Delsjön aufragen, der imponierte Kajsa Lagergren nicht, und mitten in ihren immer schwerer werdenden Schritten wurde ihr klar, dass sie einen Mann brauchte, der all diese verdammten Gedanken bei der Stange halten konnte, und sie grinste an der steilsten Stelle.
     
    Während sie die Tür öffneten, zogen sie sich die Masken über das Gesicht. Es war neun Uhr abends, und Au Shan Yew beharrte darauf, bis zehn offen zu haben; er wollte selbst so lange anwesend sein, wie er Kraft hatte. Schließlich war er noch nicht älter als siebzig, und das betonte er häufig. Eine halbe Stunde zuvor hatte er seinen Neffen Ten Yew nach Hause geschickt; er legte gerade das Paket Dim Sum in die Tiefkühltruhe, als ihn der erste Schlag über dem linken Ohr traf, und bevor der Schmerz kam, hatte er das Gefühl, dass es keine Geräusche mehr auf der Welt gebe. Auch aus der anderen Richtung kam dieser Schmerz, als der nächste Schlag seine rechte Gesichtshälfte traf, und er sank zu Boden. Als er den Schlag an seiner Hand spürte und nach unten schaute, fast wie in einem Reflex, sah er, dass die Hand in einem seltsamen Winkel vom Handgelenk wegragte, und alles da unten war weiß, er stolperte und stolperte noch einmal und ging zu Boden, der von Reiskörnern bedeckt war.
    Niemand sagte etwas. Die Säcke voller Jasminreis, die am Eingang standen, wurden in die Mitte des Ladens geschleppt, mit raschen Schnitten aufgeschlitzt, der Reis ergoss sich in einer weißen Flut über den Boden; einen Augenblick später war Au Shan Yews Körper teilweise mit Millionen von runden Reiskörnern bedeckt. Das Blut seiner Wunden färbte Tausende der Reiskörner rot, all das Rot breitete sich aus wie eine kleine Insel mitten in diesem weißen Meer. Einer der Männer watete durch den Reis zur Mitte des Haufens und versetzte dem Mann, der auf der Insel Hainan geboren war, einen Tritt gegen den Kopf, einen Tritt, der den Körper in Spasmen zucken ließ. Der Mund des Mannes öffnete und schloss sich, füllte sich mit harten Reiskörnern, die sich mit Blut zu Brei mischten und seine Atmung erschwerten. Er war immer noch bei Bewusstsein, hörte die Geräusche um sich herum wie in einem fernen Film. Jetzt sterbe ich, dachte er.
    Die Männer mit den schwarzen Masken ließen sich Zeit in dem Laden, der überwiegend aus einem großen Raum ohne verborgene Winkel bestand. Die sorgfältig gefüllten Regale wurden mit Hilfe der Eisenstangen leer gefegt. Chinesische Grundnahrungsmittel fielen zu Boden und sammelten sich in Haufen: Chinakohl, Selleriekohl, Bok choy, frische Ingwerwurzeln, frische Lotuswurzeln, Frühlingsrollenhüllen, Vogelnester, Wintermelonen, frische Mungbohnenkeime, Schneeerbsen, eingemachte Haliotschnecken, frischer Sojabohnenkäse, Wan-Tan-Hüllen, getrocknete Reisnudeln, chinesische Würste, zwei Sorten Haifischflossen, Glasnudeln, frische Eiernudeln, eingelegte Louquats, Ginkgonüsse, eingelegte Litschis, Konservendosen mit Bambussprossen, eingelegte Wasserkastanien, eingekochte Kumquats, Eiszapfenradieschen, chinesische Petersilie.
    Auf dem Weg hinaus machten zwei der Männer das Zeichen »high five«, der Dritte rutschte auf zerquetschten Zwiebeln aus und fluchte leise. Sie nahmen die Masken ab.
    Draußen wandten sie sich nach rechts, umrundeten den Häuserblock und setzten sich ruhig in ein Auto, das gegenüber vom Möbelgeschäft parkte. Die Eisenstangen hatten sie in den Kofferraum gelegt, eingewickelt in weichen Stoff. Sie fuhren geradeaus, bogen nach links ab, passierten Au Shan Yews Laden und sahen einige Leute mittleren Alters vorsichtig durch die Türöffnung spähen.
    »Was ist da denn passiert«, sagte einer der Männer im Auto.
     
    Die Ruhelosigkeit loderte wie eine Flamme durch seinen Körper, sie tobte wie ein eingesperrtes Tier in ihm. In seiner Brust juckte es heftig. Die langen Spaziergänge halfen nicht, nicht einmal das Haus half wirklich, nur für den Moment. Dass es so einfach gewesen war, immer wieder musste er daran denken. Dass alles vorbei war. Er hatte sich erleichtert gefühlt und sich danach gesehnt, aber das Gefühl genügte nicht. Er hasste immer noch. Er war schließlich immer noch der, der gelitten hatte, oder? Er war immer noch ein Opfer, oder ?
    Diese Frau hatte ihn überhaupt nicht bemerkt, aber das schien nur so; ihm war nicht entgangen, dass sie ihn lange angesehen hatte, und fast bewunderte er sie, weil sie so tat, als hätte sie

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