Geh aus, mein Herz
machte, die den Raum teilte, wurde am hinteren Ende eine Tür geöffnet und eine ältere Frau kam herein. »Oh«, sagte sie, als sie die weiße senkrechte Fläche vor dem Fenster sah. Sie drehte sich zu Wide um.
»Wie Bindfäden. Haben Sie dieses Wetter mitgebracht?«
»Scheint so.«
»Bitte, kommen Sie herein.«
»Danke.« Wide betrat den Raum hinter der Bank: zwei Schreibtische, Papiere darauf, eine elektrische Schreibmaschine und ein Computer, dessen Marke er nicht erkennen konnte, Ordner auf dem Tisch und Ordner in den Regalen entlang der Wände.
»Ich heiße Jonathan Wide. Ich habe vor einigen Tagen angerufen.«
»Berit Wideberg. Dann haben Sie mit mir gesprochen. Sie sind Detektiv? Ja, ich erinnere mich. Ihr Name ist mir aufgefallen.«
»Wirklich komisch, vielleicht sind wir entfernt miteinander verwandt?«
»Könnte durchaus sein.«
Sie fragte nicht nach seinem Ausweis, und das war gut, das verlieh dem Ganzen einen weniger offiziellen Charakter.
»Sie wollten mit unserem früheren Direktor sprechen, Nils-Ewert Bengtsson.«
»Ja.«
»Er wohnt ganz in der Nähe. Wir haben verabredet, dass ich ihn anrufe, wenn Sie da sind.«
»Hoffentlich bin ich pünktlich.«
»Auf dem Kalender steht gegen zwölf, jetzt ist es zwölf.«
»Das ist ja prima.«
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee? Ich habe gerade welchen gekocht.«
»Danke, gern.«
»Bitte sehr, dort drinnen.« Sie zeigte zur offenen Tür, durch die sie gerade gekommen war. »Dann ruf ich also Herrn Bengtsson an.«
Jonathan Wide betrat einen Raum, der vermutlich das Lehrerzimmer war. Einige Sofas, die neu wirkten, einige ältere Stühle, frische Rosen auf zwei Tischen – er fragte sich, ob es gerade einen Grund zum Feiern gab. Neben dem breiten, hohen Fenster ein Servierwagen: Tassen, Teller, Löffel, eine Thermoskanne, ein kleiner Milchkrug, eine Zuckerschale, ein Teller mit Hefegebäck, offenbar selbst gebacken, denn die Stücke waren sehr unterschiedlich geformt. Er goss Milch in eine Tasse, pumpte Kaffee aus der Thermoskanne, legte ein Hefestück auf einen Teller und stellte ihn auf einen der Tische.
An der Wand hing eine große Karte von Schweden. Wide trat näher heran und verfolgte darauf seine eigene Reise. Er hatte gerade Jönköping erreicht, als hinter ihm jemand hereinkam. Er drehte sich um. Es war ein großer und sehr magerer Herr in einem grauen Anzug mit Weste. Er trug eine Brille mit Horngestell. Seine nach hinten gekämmten Haare waren schlohweiß und dicht. Er streckte Wide die Rechte hin.
»Nils-Ewert Bengtsson. Sie müssen der Detektiv aus Göteborg sein.«
»Jonathan Wide. Guten Tag.«
»Willkommen in Sävsjö.«
»Danke.«
»Sie haben erwähnt, dass Sie einmal hier gewohnt haben.«
Wide hatte kurz von seinem eigenen Hintergrund erzählt, in der Hoffnung, dass es ihm die Möglichkeit erleichterte, einen fremden Menschen zu treffen, Fragen zu stellen.
»Einige Jahre als Kind, kurze Zeit als Jugendlicher.«
»Aber nicht in diesem Viertel. In meine Schule sind Sie nicht gegangen.«
»Nein, meine war auf der anderen Seite der Bahngleise.«
»Das wilde Hinterland«, bemerkte der alte Direktor lächelnd. Er trug seine einundachtzig Jahre fast erschreckend gut.
»Ist das Ihr Kaffee? Nehmen Sie ihn mit und gehen wir in mein Büro«, sagte er und ging voran, einen kleinen Korridor entlang zu einem Zimmer ganz am Ende. Daneben befand sich die Bibliothek, wie Wide nach einem Blick durch eine Glasscheibe zwischen Korridor und Raum festgestellt hatte.
»Hier. Es ist nicht sehr groß, aber sie überlassen es mir, wenn ich es brauche.«
»Sie arbeiten hier?«
»Ja, wenn man es so nennen will. Ein bisschen für den Heimatverein und die Stadtbibliothek. So ist es ja früher schon gewesen. Jetzt planen wir ein neues Buch über die Stadt in der Nachkriegszeit und da spielt unsere Schule auch eine Rolle.«
»Haben Sie lange hier gearbeitet?«
»An der Västra? Das kann man wohl sagen. Ich habe Mitte der vierziger Jahre angefangen, fünfundvierzig, direkt nach dem Krieg. Ich bekam eine zeitlich begrenzte Vertreterstelle, und ich wollte auch weg, schließlich war ich noch blutjung. Aber dann bin ich doch geblieben. Das ist mein Leben, junger Mann!«
»Ein Leben in Sävsjö.«
»In Sävsjö und in dieser Schule. Ein paar Jahre später haben sie mich zum Direktor ernannt, vermutlich, weil es nach dem Krieg nicht genügend Leute gab«, sagte der Mann, und Wide sah, dass Humor in seinen Augen aufblitzte.
»Aber was erzähle ich Ihnen
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