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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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außen rechts. Es war ein Junge, der die anderen um ungefähr fünf Zentimeter überragte. Zwischen ihm und dem nächsten Kind war ein kleiner Abstand. Der Junge schaute auf etwas unterhalb der Kamera, er hatte den Kopf leicht vorgebeugt. Wide betrachtete das Gesicht lange. Er spürte, dass ihn eine Gänsehaut überlief, genau wie im Hotelzimmer in Värnamo, als er Rickard Melinder erkannt hatte. Dasselbe Frösteln auf der Kopfhaut, unter dem Haar. Und wie Pfeile schoss die Kälte vom Schädel bis zu den Fußsohlen. Dieses Gesicht erkannte er wieder. Er hatte es im Herbst im Botanischen Garten in Göteborg gesehen, und ihm war, als ob es Jahre her wären.
    Über Stirn und Augen lag ein tiefer, dunkler Zug, den Wide nicht vergessen konnte. Deshalb hatte er sich ihm eingeprägt. Er hatte sogar davon geträumt. Das war er. War er ihm hier begegnet, in dieser Stadt, als Kind? Stammte die Erinnerung von hier?
    »Wer ist das?«
    Wide schob das Bild über den Schreibtisch und zeigte auf das Gesicht. Nils-Ewert Bengtsson beugte sich vor und richtete sich dann mit einem bitteren Zug um den Mund auf.
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Wie bitte?«
    »Warum fragen Sie nach ihm?«
    »Ich bilde mir ein, ihn zu erkennen.«
    »Aus der Kindheit?«
    »Ja, oder aus Göteborg. Vielleicht habe ich ihn dort gesehen, als Erwachsenen.«
    »Das ist nicht möglich.«
    Wieder sagte Wide: »Wie bitte?«
    »Das ist nicht möglich, weil dieses Kind, das Stig Thisenius hieß, nie erwachsen geworden ist.«
    »Aber ich hab ihn do…«
    »So etwas vergisst man nicht. Es war eine schreckliche Geschichte, noch eine schreckliche Geschichte in diesem Zusammenhang. Ein entsetzliches Unglück.«
    Wide wartete, während der alte Mann nach Worten suchte.
    »Wenn es ein Unglück war. Manche behaupten, es war Selbstmord. Aber darüber bekommt man ja nie vollständige Gewissheit.«
    »Was ist passiert?«
    »Ein Zug oder was es nun war … ein Jahr nachdem dieses Foto aufgenommen wurde. Es ist irgendwo im Norden passiert, dort gibt es einen Abhang zu den Gleisen hinunter. Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, keine Häuser, niemand, der etwas gesehen hat.«
    »Niemand war in der Nähe?«
    »Nicht, soviel man weiß – oder damals wusste.«
    »Aber er war es?«
    »Daran besteht kein Zweifel.«
    Wide war nicht sicher, ob er schon hier gewohnt hatte, als es passierte, aber es musste ungefähr zu dieser Zeit gewesen sein. Erinnerte er sich deshalb an das Gesicht? Hatte er es in der Zeitung gesehen? Das musste er überprüfen. War es den Aufwand wert? Er wollte es wissen, aber was würde das bringen? Er war verwirrt. Er hatte dieses Gesicht – allerdings gereift, erwachsen – an einem Tag in Göteborg gesehen. Er war sich ganz sicher. Und doch war es nicht möglich. Er musste jemand anderen gesehen haben.
    »Stig war auch so ein Kind, das anders war als die anderen«, bemerkte Nils-Ewert Bengtsson und unterbrach Wides Gedankenkette. »Er blieb sehr für sich. Man kann ja sogar auf dem Foto sehen, dass er da ein bisschen abseits steht.«
    »Und wie äußerte sich das Anderssein sonst?«
    »Er schien nicht mit den anderen zusammen zu sein. Ich hatte den Verdacht, dass er gemobbt wurde. Das gab es zu der Zeit auch schon, aber nicht an meiner Schule. Und das sage ich nicht, um diese Schule schönzureden.«
    »Warum haben Sie dann den Verdacht, dass er gemobbt wurde?«
    »Nun, er kam oft zu spät und hatte keine Erklärung dafür. Seltsam, dass ich mich daran erinnere. Vermutlich hängt das mit dem Unglück zusammen. Schließlich kam er gar nicht mehr. Was für eine Tragödie. Seine Eltern brachen zusammen, ich habe ein wenig mit ihnen gesprochen. Es waren Pflegeeltern.«
    »Wohnen sie hier?«
    »Die Mutter ist an Krebs gestorben, glaube ich, aber ich bin nicht sicher. Der Vater … ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen die alte Adresse geben. Übrigens kann ich auch bei der Behörde anrufen.«
     
    Es regnete immer noch, als Wide das Schulgebäude verließ, und obwohl es noch nicht einmal zwei war, begann es schon zu dämmern.
    Er fuhr auf der Skolgatan zurück zur Stadt hinunter, überquerte das Viadukt und sah den Bahnhof dort unten liegen. Jetzt war er verlassen, vernagelt. Nils-Ewert Bengtsson hatte wehmütig vom Schicksal der kleinen Bahnhöfe gesprochen, nachdem die neuen schnelleren Züge aufgekommen waren und es keine wärmenden Aufenthaltsräume mehr gab für jene, die die wenigen Züge benutzten, die noch nach dem alten Zeitplan hielten.
    Links sah Wide

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