Geh Ich Auf Meine Hochzeit
sein Unvermögen, sich vorzustellen, Evie könnte mit ihrem Äußeren unzufrieden sein. Als sei es vollkommen irrwitzig, dass sie ein Problem mit ihrem Aussehen hatte. Nachdem sie sich ihr Leben lang immer ein wenig daneben gefühlt hatte, kam Evie jetzt ihre Welt wie auf den Kopf gestellt vor. Was, wenn sie tatsächlich keinerlei Grund zur Sorge hatte, was, wenn sie wirklich toll aussah und sich lediglich ein Leben lang in einem Teufelskreis des Selbsthasses befunden hatte? Was, wenn Evie Fraser zu sein ein beneidenswerter Zustand wäre - zierlich, kurvenreich und mit einem Faible für Twix-Süßigkeiten - statt einer langgliedrigen Sellerieliebhaberin?
»Frauen faszinieren mich«, meinte Max. »Aber ich selbst wäre nicht gerne eine Frau. Es gibt so viele Ziele, die sie zu erfüllen suchen. Männer mögen unter Umständen der Sieger eines Autorennens sein wollen, sie würden aber nicht so aussehen wollen wie der Champion.«
»Ich möchte auch nicht wie jemand anders aussehen«, protestierte Evie. In Wirklichkeit aber war genau das ihr Wunsch. Das konnte sie jedoch unmöglich zugeben, ganz gleich wie offen sie diesem Fremden gegenüber auch sein mochte. »Man wäre eben gerne etwas...«
»Dünner?«, fragte Max und verzog das Gesicht.
»Was ist daran nicht in Ordnung?« erhitzte Evie sich, denn sie hasste es, wenn man ihre gesamte Persönlichkeit auf den Wunsch, schlank zu sein reduzierte.
»Gar nichts«, beschwichtigte er sie. »Außer dass Sie gar nicht dünner zu sein brauchen. So wie Sie sind, sind Sie wunderschön. Ich habe vorhin beobachtet, wie Sie Ihre Beine verstecken. Das haben Sie wirklich nicht nötig, glauben Sie mir!«
Sein Blick schweifte bewundernd über ihren Körper. Sein geschultes Auge vermittelte Evie das Gefühl, als ob er die Körbchengröße ihres Büstenhalters bestimmen und den Umfang ihrer Taille auf den Zentimeter genau erfassen könne.
»Wir sollten jetzt doch nach oben gehen«, meinte Fidelma bedauernd. »Andrew würde es nicht gerne sehen, wenn wir den ganzen Nachmittag hier verbringen, obwohl ich mich wirklich großartig amüsiere.«
»Du hast Recht.« Evie versuchte, sich wieder in den Griff zu kriegen. Es war halb vier Uhr nachmittags, und sie fühlte sich so beschwipst wie um drei Uhr in der Früh. »Mit den Fotos werden sie wohl jetzt fertig sein«, fuhr sie fort. »Und zum Essen sollten wir uns nicht verspäten.«
»Ich habe einen Bärenhunger«, stimmte Fidelma zu. »Für einen Teller Kraftbrühe könnte ich glatt jemanden umlegen.«
»Dann müssen wir etwas wirklich Schmackhaftes für Sie auftreiben«, meinte Max und half ihr aufzustehen. »Denn sonst werden Ihnen all die wunderbaren Cocktails, die ich Ihnen später kredenze, unverzüglich zu Kopfe steigen!«
Fidelmas fröhliches Gegacker war weithin hörbar.
Evie begann ebenfalls ans Essen zu denken. Das Frühstück lag lange zurück, und wenn sie also schlank und schön war, durfte sie essen, wonach ihr der Sinn stand.
Die drei schritten gemächlich auf den Ballsaal zu.
»Sie sind echt nett zu Fidelma«, flüsterte Evie. »Das rechne ich Ihnen hoch an. Sie müssen einen Schwärm weiblicher Verwandten haben, die Ihnen alle zu Füßen liegen. Und ich wette, Sie sind der Liebling Ihrer Mutter«, fügte sie scherzend hinzu, wobei sie in der Tat noch niemals einen Mann kennen gelernt hatte, der weniger einem Muttersöhnchen ähnelte als Max.
»Meine Mutter gehört nicht zu jenen Damen, die gehätschelt werden müssen«, meinte er liebevoll. »Sie ist sehr unabhängig. Wenn man zwei Ehemänner verloren hat, wird man das.«
Evie spürte den Anflug eines Argwohns in ihrer Magengrube. Eine Vorahnung. Ihr Vater hatte ihr etwas über Vidas Sohn erzählt, einen Fernsehproduzenten. Zwar war er ebenfalls zur Hochzeit geladen, doch hatte er gleichzeitig etwas in Australien zu tun, weshalb er seiner enttäuschten Mutter nicht verbindlich hatte zusagen können.
Max konnte nicht... nein, er war nicht...
Sie standen nun vor dem Ballsaal, und er öffnete die Doppeltüren.
»Max! Hast du es doch noch geschafft! Ich bin überglücklich!« Vidas feines Gesicht war ein einziges Strahlen, als sie anmutig quer durch den Raum geflogen kam und Max ihre Arme entgegenstreckte. Er drückte sie fest an sich und achtete darauf, ihren glatten Knoten nicht zu ruinieren. Dann hielt er sie auf Armeslänge von sich und bewunderte ihr elegantes Hochzeitskostüm.
»Mutter, du siehst einfach hinreißend aus«, lobte er. »Wie immer!«
Evie
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