Geh Ich Auf Meine Hochzeit
vertrocknete Backpflaume mit Perücke, lehnte sich Evie auf ihrem Stuhl zurück und tat so, als ob auch sie ihren Spaß habe. Doch es hatte keinen Sinn. Tantes Witze interessierten sie nicht, und Leslie fiel außer dem an den Kellner gerichteten Satz »Rot bitte - füllen Sie mir mein Glas auf« nichts ein.
Jetzt wurden die Reden gehalten. Als Evie ihren Stuhl entsprechend verrückte, saß sie genau im richtigen Blickwinkel, um Max und diese Schaufensterpuppe zu beobachten. Sie hörte nicht ein Wort der Reden, nicht einmal dann, als der Trauzeuge ihres Vaters einen etwas gewagten Witz landete.
Alle brachen in Gelächter aus.
»Was ist denn?«, erkundigte Evie sich verwirrt.
»Der Trauzeuge würde die Braut gerne übers Knie legen«, informierte Leslie de Vere sie mit leuchtenden Augen. »Das würde mir auch nicht schlecht zupass kommen. Die Dame sieht verdammt gut aus.«
Bis schließlich ihr Vater mit seiner Rede an der Reihe war, hatte Evie einen Entschluss gefasst. Sie würde Max nur dadurch eins auswischen können, wenn sie ganz offen mit einem der anderen Gäste flirtete. Mit irgendeinem attraktiven Junggesellen, bei dem Max grün vor Eifersucht würde.
Die Frage lautete nur, mit wem. Selbst unter normalen Umständen bildeten hinreißende, unverheiratete Männer die Ausnahme. Evie graste den Raum ab und konnte niemanden entdecken, der diese Voraussetzungen erfüllte. Abgesehen von Max war ihr Vater der attraktivste Mann dieser Gesellschaft. Stephen sah zwar auch gut aus; doch selbst wenn er nicht mit Olivia verheiratet gewesen wäre, kam dieser Sauertopf schon deswegen nicht in Frage, weil er den Eindruck vermittelte, er müsse sich unter der Tischdecke einer schmerzhaften Darmoperation unterziehen.
Evies Blick wanderte zur Familie Higgins, Inhaber der Fleischerei von Ballymoreen. An ihrem Tisch fand sie endlich einen Unbekannten, präsentabel, hochgewachsen und in einem anständigen Anzug. Er schien keine Begleitung zu haben. Der musste genügen.
Andrew Frasers Rede neigte sich dem Ende zu. »Und jetzt besteht die wunderbare Gelegenheit, dass sich unsere Familien kennen lernen«, meinte er mit einem bittenden Blick in Richtung Evie.
Da irrt er sich aber gewaltig!, dachte Evie verbissen. Sie würde Max Stewart nicht einmal anspucken, wenn er in Flammen stünde. Es war also recht unwahrscheinlich, dass sie ihn als Familienmitglied gelten ließe. Und Vida erst! Ganz offensichtlich hatte sie mit ihrem Sohn eine Vereinbarung getroffen. Was für eine Frau würde so etwas tun? Ein berechnendes Biest, so viel stand fest.
Die Reden waren vorüber, die Gäste ließen sich auf ihre Stühle zurückfallen und warteten die nächsten Darbietungen ab. Während die Musiker ihre Instrumente in der einen Ecke des Saals aufzubauen begannen, entschuldigte Evie sich.
In der Toilette betrachtete sie ihr müdes, erhitztes Gesicht. Wie hatte sie vorhin nur glauben können, hübsch auszusehen? Sie wirkte wie eine verlebte Büromamsell mit albernen Locken, Lippenstiftresten und verschmierter Wimperntusche auf der einen Wange.
Sie beugte sich zum Spiegel und rieb sie weg.
»Ist er nicht einfach ein Schatz?«, erkundigte sich eine Stimme.
Als Evie sah, wer durch die Tür getreten war, richtete sie sich auf: Cleopatra mit einer Begleiterin.
»So, wie der dich ansieht... Allmächtiger!«, sagte sie bedeutungsvoll. »Den würde man auch dann nicht von der Bettkante stoßen, wenn er Krümel auf den Laken hinterließe, nicht wahr?«
Die beiden brachen in anzügliches Lachen aus und schienen Evie überhaupt nicht zu bemerken.
Evie wühlte in ihrer Tasche nach dem Lippenstift und betrachtete gleichzeitig Cleopatra aus dem Augenwinkel.
Weit davon entfernt, ein verbrutzeltes, Perücke tragendes Flittchen zu sein, war Cleopatra eine exotische Schönheit mit auffallend glatter Haut. Evie kannte eigentlich niemanden, dem Braun wirklich gut zu Gesicht stand, doch dieser Milchkaffeeteint passte zu ihr.
Evie revidierte ihre vorherige Einschätzung und ordnete die Nebenbuhlerin jetzt eher bei Ende dreißig als Mitte vierzig ein.
»Seit meiner Scheidung habe ich mich, weiß der Himmel, genau umgesehen«, sagte Cleopatra. »Max wäre schon der Richtige.«
»Judith, du bist echt zum Totlachen«, befand die Freundin. »Er scheint doch interessiert zu sein...«
Judith? Evie rauschte aus der Toilette in den Flur und prallte mit Max zusammen.
»Warum hast du mir verheimlicht, wer du bist?«, beschuldigte sie ihn. Unbeabsichtigt war sie zum
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